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Guten Morgen, meine Schoene

Guten Morgen, meine Schoene

Titel: Guten Morgen, meine Schoene
Autoren: Grace Green
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hatte sie zum Geburtstag seiner Tochter gekauft, und als die Kleine zu sprechen anfing, hatte sie eines Tages ihre heiß geliebte Puppe hochgehalten und stolz »Puppe«
    gesagt. Und so hatte die Puppe nie einen richtigen Namen bekommen, sondern Vicky nannte sie noch heute immer nur »meine Puppe«.
    Sarah setzte die Puppe auf den Couchtisch. Mittlerweile war auch Jamie wach geworden und blinzelte schläfrig. Sie umarmte ihn zärtlich und gab ihm einen Kuss. »Guten Morgen, Liebling.«
    Er legte ihr die Armchen um den Nacken. »Ich habe Hunger!«
    »Ich auch«, sagte Vicky. »Mir knurrt der Magen.«
    Sarah stellte Jamie auf den Boden, und Vicky, die inzwischen aufgestanden war, nahm ihn an der Hand. »Komm, Jamie, ich weiß, wo es was zu essen gibt!«
    In der Küche duftete es verführerisch nach Kaffee, doch die Kanne war frisch gespült und der Tisch leer. Falls Sarah gehofft hatte, ihr Gastgeber würde wenigstens ein Frühstück für sie bereitstellen, sah sie sich getäuscht. Der Mann ließ keinen Zweifel daran, dass sie in seinem Haus nicht willkommen waren.
    Sie machte für die beiden Kinder Rührei und Toast, und nachdem sie selbst ein Glas Milch getrunken und ihr tägliches Quantum an Vitamintabletten genommen hatte, ging sie zu einem der Fenster und sah hinaus.
    Durch den Regen blickte sie über einen mit dichtem Wald bewachsenen Abhang hinunter ins Tal. An einem sonnigen Tag musste die Aussicht hier oben geradezu a-temberaubend sein. Ein Anblick, der ihr nie vergönnt sein würde, denn schon in einer Stunde würde sie wieder in ihrem Auto sitzen.
    Obwohl sie von Natur aus lebensbejahend und optimistisch war, überfiel sie auf einmal Verzweiflung. Eine allein stehende Mutter mit wenig Geld hatte es in dieser Welt schwer, speziell in ihrer momentanen Lage und ohne einen Ort, wo sie Unterschlupf hätte finden können.
    Letzteres stimmte nicht ganz, denn als Ausweg blieb ihr immer noch Wynthrop. Aber der Gedanke, dorthin zurückzukehren, wo sie noch weniger willkommen sein würde als hier, war alles andere als verlockend.
    »Mom«, riss Vicky sie aus ihren düsteren Überlegungen, »hast du inzwischen unseren Onkel gesehen?«
    »Ja, er ist gestern Abend noch gekommen.«
    »Wohnen wir jetzt eine Weile hier bei ihm?«
    »Nein, Liebling. Wir reisen ab, sobald er zurück ist. Er überprüft im Moment, ob die Straße nach unten noch befahrbar ist.«
    »Dann kommt er ja bald wieder?«
    »Ja, bestimmt.«
    Als er nach einer Stunde immer noch nicht zurück war, begann Sarah, unruhig zu werden.
    Und nachdem weitere drei Stunden verstrichen waren, er-tappte sie sich beim Nägelkauen. Das hatte sie nicht mehr getan, seit sie dreizehn war. Jedidiah Morgan hätte längst wieder hier sein müssen. Sie selbst hatte gestern trotz Dunkelheit und schlechtem Wetter, und obwohl sie die Straße nicht kannte, höchstens eine Viertelstunde benötigt, um den Berg hochzufahren. Was also war geschehen?
    Nervös ging sie im Wohnzimmer auf und ab und wich Jamie aus, der auf dem Teppich mit seinen Autos spielte.
    Vicky stand am Fenster und trippelte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, nachdem sie zuvor stundenlang mit bewundernswerter Ausdauer laut gelesen hatte.
    »Mom, da kommt ein Polizeiauto!« rief die Kleine plötzlich aufgeregt.
    »Ein Polizeiauto?«
    »Ja!«
    Sarah eilte zum Fenster und sah, wie der Wagen neben ihrem blauen Kombi hielt, den sie vorhin abreisebereit vor dem Haus geparkt hatte. Ein Polizist in Uniform stieg aus.
    Vicky presste die Nase ans Fenster. »Was will er hier, Mom?«
    »Das werden wir gleich erfahren. Warte hier.«
    »Ich möchte lieber mitkommen.«
    »Nein, du bleibst bei Jamie.« Falls tatsächlich etwas passiert war, wollte Sarah nicht, dass ihre Tochter es hörte.
    Vicky verzog schmollend den Mund, widersprach aber nicht.
    Es klingelte an der Tür. Sarah verspürte ein flaues Ge-fühl im

    Magen. Als sie das letzte Mal einem Polizisten die Tür geöffnet hatte, hatte er ihr die Nachricht von Chance’ Tod überbracht. Mit zitternder Hand machte sie die Tür auf, und ihre Befürchtungen verstärkten sich, als sie den ernsten Gesichtsausdruck des jungen Polizisten sah.
    »Ma’am, ich bin Constable Trammer. Sind Sie…?«
    »Ich bin Sarah Morgan.«
    »Die Ehefrau von Jedidiah Morgan?«
    »Nein, seine Schwägerin.«
    »Es tut mir sehr Leid, Mrs. Morgan, Ihnen mitteilen zu müssen, dass es unten an der Kreuzung einen Unfall gegeben hat. Ein Lastwagenfahrer hat ein Stoppschild übersehen und Mr. Morgans
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