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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht
Autoren: Jeremiah Healy
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unterzubringen.«
    »Ein gutes College.«
    »Ja, und sehr teuer. Aber offensichtlich gibt es genug Stipendien.«
    »Hat er dort gelebt?«
    »Wie bitte?«
    »Hat er auf dem Collegegelände gewohnt? In einem Wohnheim?«
    »Oh, ja. Wenigstens am Anfang. Dann muß dort irgend etwas vorgefallen sein. Er wollte nie mit mir darüber reden. Und mittendrin ist er wieder nach Haus gezogen.«
    »Mittendrin?«
    »Mitten in seinem ersten Semester.«
    »Wie waren seine Noten?«
    Unnötigerweise rührte sie ihren Kaffee um. »Nicht so besonders. Vielleicht war das alles doch ein bißchen viel an Veränderungen für ihn. Vielleicht war es zuviel...«
    »Zuviel...?«
    Sie schaute auf. »Er hat sich mit diesem weißen Mädchen eingelassen. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, sie hat sich mit ihm eingelassen. Was nun genau, kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Das Mädchen, das er ermordet haben soll?«
    »Ja, aber er hat es nicht getan. Er hat weder sie noch sonst jemanden umgebracht.« Sie sagte es völlig ruhig, wie einen vielzitierten religiösen Glaubenssatz, den sie auswendig kannte und der für sie über jeden Zweifel erhaben war.
    »Das Mädchen wurde erschossen. Ihr Sohn hatte die Waffe, mit der sie getötet wurde.«
    Sie konzentrierte sich wieder auf die Tasse und den Löffel. »War es Williams Waffe, Mrs. Daniels?«
    »Er hat sie gebraucht. Er hat gesagt, wegen der anderen Kids in unserem Block.« Sie machte sie nach: »>Weiße Schule, weißes Mädchen, weißer Willll-jämmm.<« Sie verzog den Mund, als hätte sie in eine saure Zitrone gebissen.
    »Er hat eine Waffe getragen, weil die anderen Kids ihn aufgezogen haben?«
    Sie fixierte mich mit einem »Ich bitte Sie«-Blick. »Sie sind doch selbst draußen gewesen, Sie haben sie gesehen.« Wahrscheinlich hatte sie recht. Sie sahen mehr nach »Stöcke und Steine brechen mir die Beine« als nach »Worte können nie schaden« aus.
    »Hat William sich mit dem Mädchen gestritten?«
    Sie wurde erregter, gestikulierte heftig. »Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht. Er hat mit mir nie über sie gesprochen. Oder über das College. Goreham, meine ich. Nicht einmal über den neuen Doktor, zu dem er dort ging.«
    »Was für einen Doktor meinen Sie?«
    »Der mit den Hypnosen. Der, bei dem... bei dem...« Sie tastete nach einer Serviette und flüsterte, es tue ihr leid, während ich sie schon beruhigte, daß es in Ordnung sei.
    Ein oder zwei Augenblicke lang schniefte sie. Ich wartete. »Kann ich Ihnen sonst noch etwas sagen?« fragte sie.
    »Im Moment nicht. Zuerst muß ich einige Berichte lesen, mit Williams Anwalt sprechen. Sie werden den Anwalt anrufen und ihm sagen müssen, daß ich für Ihren Sohn arbeite.«
    Sie nickte heftig, griff nach einer Handtasche, die auf dem Sessel neben ihr lag. »Ich habe Geld. Ich habe es von der Bank geholt, als Rob... Lieutenant Murphy mir sagte, daß Sie kommen würden. Er hat gesagt...«
    »Mrs. Daniels. Bitte, kein Geld.«
    Wieder dieser »Ich bitte Sie«-Blick. »Früher, als William noch jünger war, habe ich nicht genug verdient, und er hatte Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. So hat er Mr. Rothenberg kennengelernt, den Anwalt, von dem er jetzt vertreten wird. Ich habe Mr. Rothenberg einen Vorschuß gegeben, und Sie möchte ich auch bezahlen. Ich habe noch nie gern Almosen angenommen, und ich werde auch keine mehr annehmen.«
    »Keine Almosen. Es ist ein Gefallen. Für« — ich übertrieb es ein bißchen — »einen Freund. Lieutenant Murphy. Es ist ein Gefallen für ihn, aber Sie und William werden meine Klienten sein. Mit dem Lieutenant werde ich nur sprechen, wenn ich Informationen oder seine Hilfe benötige.«
    Eine Weile ließ sie sich das durch den Kopf gehen. »Können Sie William helfen?« fragte sie leise.
    »Ich hoffe es.« Ich meinte es so, und ich hoffte, daß sie das auch merkte.
    Sie gab mir Rothenbergs Adresse und Telefonnummer. Ich setzte eine Vollmacht auf, die sie ihm hinterlassen sollte, falls er gerade nicht da war, wenn sie anrief. Ich gab ihr eine meiner neuen Visitenkarten, meine Privatnummer hatte ich auf die Rückseite geschrieben.
    Sie ließ mich durch die mit Sicherheitsketten geschützte Tür hinaus. Meinen Wagen hatte ich vergessen. Die drei Freischaffenden anscheinend auch. Er stand immer noch genau dort, wo ich ihn stehengelassen hatte. In einem Stück. Ich stieg ein und fuhr nach Hause.
     
    Ich ging in meine Wohnung. Nichts auf dem Anrufbeantworter. Ich erinnerte mich, daß ich nicht in den
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