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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht
Autoren: Jeremiah Healy
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sollte. Er flüsterte: »Könnten Sie sich bitte auf ihre andere Seite setzen, John? Falls sie ohnmächtig wird oder so?«
    Ich nickte, und Creasy sagte leise: »Tyne, du erinnerst dich an John Cuddy. Er ist wegen Jennifer bei uns gewesen.«
    Tyne schaute zu mir auf, starrte dann wieder geradeaus. »Tyne«, sagte Creasy mit der gleichen leisen Stimme. »Würdest du John bitte vorbeilassen?«
    Seine Frau drehte ihre Beine zur Seite, und ich schob mich vorbei und setzte mich neben sie. Ich und alle anderen mußten sofort wieder aufstehen, als der Gerichtsdiener intonierte: »Das hooo-he Gericht. Erheben Sie sich bitte.«
    Der Richter ging auf seinen Platz, und der Fall wurde vom Gerichtsdiener aufgerufen. Nachdem die Zuschauer sich wieder gesetzt hatten, wurde Marek durch einen Seiteneingang von zwei uniformierten Beamten ohne Handschellen hereingeführt. Marek trug einen Anzug und sah trotz mehrerer Mahlzeiten im Gefängnis phantastisch aus. Er lächelte und schüttelte seinem Anwalt die Hand. Als Gibson, der Staatsanwalt, zu sprechen begann, drehte Marek, keine drei Meter von uns entfernt, sich um, sah mich an und grinste höhnisch.
    Zu erzählen, was dann passierte, dauert erheblich länger als es in Wirklichkeit gedauert hatte. Als sich Gibson wegen einer Zwischenfrage des Richters unterbrach, hörte ich, wie Creasy die Videocassetten-Hülle öffnete. Ich beugte mich vor, um ihn anzusehen, und er sagte ruhig: »Kümmern Sie sich um Tyne.« Dann zog Sam einen kurzläufigen Revolver aus der Cassettenhülle, stand auf und bellte so scharf »Marek!« daß der Psychiater zusammenzuckte, während er sich zu uns umdrehte. Creasy pumpte fünf Schüsse in Marek, während Mareks Anwalt nach links in Deckung ging, und ich meine Arme um Tyne warf und sie auf den Boden drückte. Uniformierte Polizeibeamte eröffneten das Feuer auf Sam. Mehrere Schüsse verfehlten ihn entweder oder durchschlugen fleischige Körperteile und blieben in der Wand und in der Bank in unserer Nähe stecken. Die Wucht der Kugeln, die Creasy richtig erwischten, wirbelten ihn hoch und schleuderten ihn über die Rückenlehne der Bank, auf die Leute hinter uns. Dann folgte einen Augenblick atemlose Stille, während der der Rauch buchstäblich in der Luft hing. Dann Rufe und Schreie, und alle schoben und drängten zum Ausgang, während ich Tyne wieder aufhalf. Sie sah mich mit dem gleichen leeren Blick an und sagte einfach nur: »Danke.«
    Als ich aufstand, beugte sich Bjorkman über den Gang, in den Creasy gefallen war. Ich konnte den Körper nicht sehen, aber Bjorkman, der den Lauf seiner Kanone in dessen Richtung hielt, sagte: »Die zwei da, die beiden direkt über dem Herzen. Das sind meine.«
    Ich sagte: »Bjorkman?«
    Er drehte sein verzerrtes Milchgesicht in meine Richtung, und ich schlug ihm mit der rechten Faust die Nase platt. Ich hatte die Linke bereits zurückgezogen, als ich Clay »Dummes Arschloch« sagen hörte, und dann ging mir das Licht aus.
     
    »Ich hätte es kommen sehen müssen, Kleines.«
    Wie denn?
    »Ein Mann wie Creasy, so wie er mir von der texanischen Selbstjustiz erzählt hat, der Kameramann, der davon geredet hat, daß Creasy an diesem Morgen persönlich die Videobänder überprüft hatte...«
    Beug dich runter.
    Ich bückte mich, immer noch ein wenig wackelig auf den Beinen, nachdem Clay mich erst wenige Stunden zuvor fachmännisch k.o. geschlagen hatte. Die Nachmittagsbrise war frisch, doch wenn der Wind nachließ, besaß die Luft dieses leichte Ofenglühen, das den Sommer vorstellbar, ja sogar greifbar macht.
    Es ist nicht dein Job, dafür zu sorgen, daß keine Waffen in Gerichtssäle geschmuggelt werden. Auch nicht, Leute, die sie besitzen, daran zu hindern, sie zu benutzen.
    »Komisch, etwas in der Richtung habe ich auch zu Marek gesagt. Daß es nicht mein Job wäre, dafür zu sorgen, daß er hängen würde, solange ich meinen Klienten nur freibekam.« Wie nimmt William das alles auf?
    »Als ich ihn getroffen habe, nicht besonders. Er ist ziemlich sauer darauf, wie unsere Gesellschaft mit ihm umgesprungen ist.«
    Es ist nicht schwer zu verstehen, warum er verbittert ist. Glaubst du, er wird das alles überstehen?
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht, wenn Murphy ein etwas persönlicheres Interesse für ihn entwickelt.«
    Sich zum Beispiel als Vorbild zur Verfügung stellt?
    »Ja.«
    Findest du nicht, daß William vielleicht schon mehr als genug Autoritätsfiguren-Rollenmodelle gehabt hat? Sein Bruder, Marek...
    »Ich.«
    Sie
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