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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht
Autoren: Jeremiah Healy
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Moment kann ich ihn noch nicht genau einordnen.«
    »Ungefähr drei Wochen her. Junger Schwarzer erschießt seine weiße Freundin, legt dann in ihrer Therapiegruppe ein Geständnis ab.«
    »Der Junge unter Hypnose.«
    »Genau der.«
    Ich erinnerte mich an die Fernsehberichte. An die Anklageerhebung, da in Massachusetts nun schon seit einigen Jahren Kameras im Gerichtssaal erlaubt sind. An Daniels, einen Col-lege-Studenten, und seine Mutter, die gegen die Tränen ankämpfte. Der Vater des toten Mädchens in stoischer Gelassenheit auf seinem Platz, seine Frau zu Hause unter Beruhigungsmitteln. Ironischerweise war der Vater Manager eines Fernsehsenders, der für freie Berichterstattung aus dem Gerichtssaal gekämpft hatte.
    »Ich erinnere mich an das eine oder andere«, sagte ich. »Daniels hatte die Tatwaffe bei sich, stimmt’s?«
    »Die Zeugen aus der Therapiegruppe sagen aus, er hätte in seine Tasche gegriffen und sie auf seinen Schoß gelegt. Die Zeitungen haben behauptet, sie wäre von der Ballistik als die Tatwaffe identifiziert worden.«
    Ich erinnerte mich wieder. »Der Mord hat sich draußen in Calem ereignet?«
    »Hm-hmmmh.«
    »Im Middlesex County.«
    »Richtig.«
    »Nicht Ihr Zuständigkeitsbereich.«
    Murphy räusperte sich. »Wieder richtig.«
    »Aber Sie werden doch offizielle Kontakte dort draußen haben?«
    »Ja, und wenn ich meine Kontakte habe, wieso muß ich dann noch einen Privatschnüffler einschalten, der mir doch nur sagt, was ich auch selbst rausfinden kann.«
    »Genau das frage ich mich, ja.«
    Murphy beugte sich vor, die Ellbogen auf den Knien, rieb sich die Hände. »Was meinen Sie, wieviel schwarze Cops in Ca-lem arbeiten?«
    »Einer vielleicht?«
    »Genau. Ein frischgebackener Streifenpolizist. Zwei, wenn Sie den uniformierten Kollegen in der Funkzentrale mitzählen.«
    »Wenn Sie also dort anrufen, dann sieht’s aus, als wollte der schwarze Profi-Cop aus der großen Stadt den weißen Cops aus der Kleinstadt auf die Finger sehen?«
    »Um zu sehen, ob sie einen schwarzen Angeklagten durch die Mühlen ihres weißen vorstädtischen Systems jagen.« Murphy setzte sich zurück, immer noch nicht entspannt.
    »Inzwischen müßte er einen Anwalt haben«, sagte ich.
    »Heute frei praktizierend, aber früher war er ein Mass Defender« — womit er einen Anwalt des Massachusetts Defenders Committee meinte, die alte Bezeichnung für das Pflichtverteidigersystem unseres Bundesstaates.
    »Ich werde mit ihm anfangen müssen.«
    »Fangen Sie lieber mit der Mutter an. Wenn sie mit Ihnen einverstanden ist, wird sie es William sagen, und der klärt es dann mit dem Anwalt ab.«
    »Sie kennen den Jungen?«
    »Bin ihm mal im Supermarkt begegnet. Ist vielleicht schon zehn Jahre her.«
    Die logische nächste Frage stellte ich nicht, aber Murphy beantwortete sie trotzdem.
    »Ja, ich glaube, er hat’s getan. Aber ich möchte, daß Willa auch davon überzeugt ist.«
    »Willa ist die Mutter?«
    »Richtig.«
    »Sie haben Ihre Adresse und Telefonnummer?«
    Er zog ein gefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche seiner Jacke und gab es mir. Willa Daniels, privat und beruflich. Robert J. Murphy, privat und beruflich.
    »Danke, Cuddy«, sagte Murphy, stand auf.
    »Lieutenant?«
    »Ja?«
    »Wieso ich?«
    »Wieso Sie?«
    »Ja. Ich bin doch bestimmt nicht der einzige Privatdetektiv, den Sie kennen.«
    »Cuddy, Sie sind der einzige weiße Privatdetektiv, den ich kenne und der mir einen Gefallen schuldet. Ich hasse es, um Gefallen zu bitten. Ich hasse es auch, jemandem einen Gefallen zu schulden.«
    Im Hinausgehen knallte er »Avery Stein, Steuerberater« hinter sich zu.
     

ZWEI
     
     
     
    Meine Uhr steckte im Sakko auf dem Kleiderständer. Statt meine bespritzten Hände abzuwischen, beugte ich mich aus dem Fenster. Auf der Kirchturmuhr an der Park Street war es 14 Uhr 20. Wie immer ging sie fünf Minuten nach. Ich hatte bereits ein Telefon im Büro, beschloß jedoch, zuerst meine Arbeit zu beenden und Mrs. Daniels später anzurufen.
    Gegen halb fünf stand ich auf der Toilette und schrubbte mit Hilfe einer kleinen Bürste und Terpentin meine Finger. Ein Bürohengst kam herein, erleichterte sich und hielt es dann wohl für besser, mich nicht darüber aufzuklären, daß ich mich in einer Toilette für leitende Angestellte befand. Er ging, ohne sich die Hände zu waschen.
    Gegen Viertel vor fünf hatte ich die Anstreich-Klamotten aus- und mein gelbes Button-down-Hemd, das Tweed-Sakko und die khakifarbene Hose wieder
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