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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht
Autoren: Jeremiah Healy
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Staatsanwaltes. Der Bursche, der den Fall vor Gericht bringen wird. Aus dieser Sache können Sie einen Prozeß von mindestens acht, neun Tagen machen. Ausführliche Berichterstattung in den Medien für den Staatsanwalt, einschließlich jeden Abend locker zwei Minuten in den Sechs-Uhr-Nachrichten. Nehmen wir an, wir plädieren auf Unzurechnungsfähigkeit oder verminderte Zurechnungsfähigkeit. Das bedeutet, wir stellen die Geistesverfassung des Jungen zur Diskussion, was wiederum den Therapeuten von seiner Schweigepflicht entbindet. Das bedeutet, die Geschworenen werden mit Sicherheit Marek hören — das ist sein Seelenklempner — , der dann über die Seance mit der Kanone berichten wird. Oh, der Richter wird die Geschworenen anweisen müssen, die Zeugenaussage lediglich im Zusammenhang mit der Frage der Geistesverfassung von Daniels zu werten und nicht im Zusammenhang mit der Begehung der Straftat, aber kein Geschworener wird diese Dinge auseinanderhalten können. Außerdem wird sich dann jeder während des Prozesses über alles mögliche auslassen können: Über die Zulässigkeit einer Verteidigung auf Unzurechnungsfähigkeit, über John Hinckley, die Sicherheit auf unseren Straßen und so weiter und so weiter. Ich denke, wir werden an dem gerichtlich angeordneten psychiatrischen Gutachten wohl nicht kratzen können. Ich habe mit diesem Marek gesprochen, und auch kurz mit Daniels, früherem Seelenklempner, einer Angestellten der Uni.«
    »Dr. Lopez?«
    »Ja, mit der.« Sein resignierter Gesichtsausdruck wurde düster. »Nein, wir alle sind der Ansicht, daß er im juristischen Sinne zurechnungsfähig war und ist.«
    »Heißt das, Sie können sein Geständnis während der >Seance< raushalten, wenn Sie nicht auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Er hat seine Geschichte nach erfolgter Hypnose erzählt, daher sollte sie eigentlich außen vorbleiben können. Aber umfaßt die Schweigepflicht des Psychotherapeuten auch die anderen Mitglieder der Gruppe, umfaßt sie auch, daß er für alle deutlich sichtbar erregt war, daß er die Tatwaffe aus der Tasche gezogen hat? Nein, bei solch eindeutigen Indizien, ganz zu schweigen von dem speziellen Aspekt >schwarzer Junge — weißes Mädchen<, werden neunzehn von zwanzig Geschworenen zu einem klaren Schuldspruch gelangen. In einer Stunde. Sie werden drei Stunden fort bleiben, damit es einen guten Eindruck macht, als hätten sie wirklich um eine Entscheidung ringen müssen. Aber sie werden ihn für schuldig erklären.«
    »Besteht Aussicht auf Kaution?«
    »Nein. Bei der Anklageerhebung hat der Richter die Kaution auf dreihunderttausend Dollar in Form einer Bürgschaft oder alternativ auf dreißigtausend in bar festgesetzt, Aber Mrs. Daniels wird weder das eine noch das andere aufbringen können. Ich mache jede Wette, daß schon mein Vorschuß, der im übrigen die Hälfte dessen war, was ich hätte nehmen sollen, sie praktisch um ihre gesamte Barschaft gebracht hat.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich muß jetzt los. Sonst noch was?«
    »Ja. Können Sie dafür sorgen, daß ich in Middlesex mit Daniels sprechen kann?«
    »Ich denke schon«, sagte er — und fragte sich zweifellos, wie groß der Gefallen wohl sein mußte, den ich zurückzahlte.
     

FÜNF
     
     
     
    Rothenberg und ich fuhren mit der Green Line U-Bahn nach Lechmere und gingen zu Fuß die drei Blocks zu dem modernen Gerichtshochhaus. Rothenberg zeigte den Sicherheitsbeamten der Middlesex County Police seinen Anwaltsausweis. Ich mußte durch den Metalldetektor.
    Mit dem Fahrstuhl fuhren wir in die sechzehnte Etage. Rothenberg verbürgte sich für mich bei dem Justizvollzugsbeamten des Sheriffs Department, der hinter den dicken Glasscheiben des Kontrollzentrums saß, und verschwand dann zu seinem Gerichtstermin. Ich füllte einen »Besuchsantrag« aus, den ich dem Beamten zusammen mit meinem Ausweis durch einen Ausgabeschacht wie bei dem Autoschalter einer Bank zuschob. Ich erhielt dafür einen blau-weißen Besucherpaß, den ich an meinem Revers befestigte.
    Der Beamte winkte mich zur Eingangsschleuse hinüber. Eine schwere rote Metalltür glitt auf, öffnete dadurch das eine Ende der Schleuse. Ich trat ein und passierte einen weiteren Metalldetektor. Dann, und erst nachdem sich die erste Tür mit einem dumpfen Geräusch wieder geschlossen hatte, öffnete der Beamte die zweite Tür, wodurch ich in den Besuchsbereich eingelassen wurde. In einem verglasten Raum setzte ich mich auf
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