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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition)
Autoren: John Verdon
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man damit eher was Schmieriges, doch das muss nicht so sein, nicht wenn es mit emotionaler Wahrheit gemacht wird!«
    Sie unterbrach sich und ließ ein verlegenes Lächeln aufblitzen, ehe sie fortfuhr. »Jedenfalls, ich habe das alles in Form eines detaillierten Entwurfs zu einer Master-Arbeit zusammengebastelt und meinem Betreuer Dr. Wilson vorgelegt. Er fand die Idee großartig, mit echtem Potenzial. Er hat mir geholfen, ein kommerzielles Angebot daraus zu machen, und dafür gesorgt, dass ich nicht ganz ohne rechtliche Absicherung in die Realität reinstolpere. Dann hat er was getan, was er sonst nie macht. Nämlich das Ganze einem Produktionsmanager von RAM TV gegeben, den er persönlich kennt – Rudy Getz heißt der Typ. Und Getz hat sich ungefähr eine Woche später bei uns gemeldet und gesagt: ›Okay, das machen wir.‹«
    »Einfach so?«, fragte Gurney.
    »Ich war auch überrascht. Aber Getz meint, das ist die Arbeitsweise von RAM . Warum sollte ich ihm nicht glauben? Tatsache ist, dass ich diese Idee verwirklichen kann. Endlich kann ich dieses Thema erforschen …« Sie schüttelte den Kopf, wie um eine Gefühlsaufwallung abzuwehren.
    Madeleine kam herüber und setzte sich an den Tisch. Sie sprach aus, was Gurney dachte: »Die Sache ist wichtig für dich, oder? Ich meine, wirklich wichtig, nicht nur ein Karrieresprungbrett.«
    »O Gott, ja!«
    Madeleine lächelte sanft. »Und der Kern der Idee …, der Teil, der so wichtig für dich ist …?«
    »Die Familien, die Kinder …« Wieder stockte sie, offenbar überwältigt von einem Bild, das ihre Worte heraufbeschworen hatten. Sie schob ihren Stuhl zurück, stand auf und ging um den Tisch herum zur Glastür, durch die man über die Terrasse auf den Garten, die Wiese und den Wald dahinter sah.
    »Irgendwie albern, ich kann es nicht erklären.« Sie hatte ihnen den Rücken zugekehrt. »Im Stehen fällt es mir leichter, darüber zu reden.« Sie räusperte sich zweimal, ehe sie mit kaum hörbarer Stimme begann. »Ich glaube, Mord verändert alles, für immer. Er stiehlt etwas, das sich nicht ersetzen lässt. Er hat Folgen, die weit über das hinausgehen, was mit dem Opfer passiert. Das Opfer verliert sein Leben, das ist schrecklich, es ist unfair, aber für den Betroffenen ist es vorbei, das Ende. Er hat alles verloren, was vielleicht hätte sein können, doch er weiß es nicht. Er kann keinen Verlust empfinden und sich nicht vorstellen, was möglich gewesen wäre.« Sie hob die Arme und drückte die Handflächen an die Fensterscheiben, eine Geste, die zugleich Gefühl und Beherrschung ausdrückte.
    Ihre Stimme klang noch dringlicher, als sie weiterzureden begann. »Nicht der Ermordete erwacht in einem halb leeren Bett, einem halb leeren Haus. Nicht er träumt davon, dass er noch lebt, nur um mit der Erkenntnis aus dem Schlaf zu fahren, dass es nicht so ist. Er spürt nicht den verzehrenden Zorn und den Kummer, die sein Tod auslöst. Er sieht nicht ständig den leeren Stuhl am Tisch und den Schrank, der voll ist mit seinen Kleidern, er glaubt nicht ständig, seine Stimme zu hören …« Sie wurde immer heiserer. Erneut räusperte sie sich. »Er spürt nicht die Qualen – als wäre einem das Herz aus dem Leib gerissen worden. «
    Mehrere Sekunden lang lehnte sie am Glas, dann schob sie sich langsam zurück. Mit Tränen auf den Wangen wandte sie sich dem Tisch zu. »Ihr kennt doch Phantomschmerzen. Dieses Phänomen, das nach Amputationen auftritt. Man spürt Schmerzen an der Stelle, wo früher der Arm oder das Bein war. So ist Mord für die hinterbliebene Familie. Wie das Ziehen in einer Phantomextremität – ein unerträglicher Schmerz an einer leeren Stelle.«
    Eine Weile stand sie völlig reglos, versunken in den Anblick ihrer inneren Landschaft. Dann wischte sie sich heftig mit den Händen übers Gesicht und hob mit einem plötzlichen Ausdruck der Entschlossenheit in den Augen den Kopf. Ihre Stimme wurde leidenschaftlich. »Um zu begreifen, was Mord in Wahrheit bedeutet, muss man mit den Familien sprechen. Das ist meine Theorie, mein Projekt, mein Plan. Und das ist auch das, wofür sich Rudy Getz begeistert.« Sie holte tief Luft und atmete langsam aus. »Wenn es nicht zu viel Mühe ist, könnte ich bitte noch eine Tasse Kaffee haben?«
    »Das kriegen wir sicher hin.« Freundlich lächelnd trat Madeleine zur Kücheninsel und füllte die Kaffeemaschine nach.
    Die gestreckten Finger nachdenklich ans Kinn gedrückt, lehnte sich Gurney zurück. Ein, zwei Minuten
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