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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue
Autoren: Tess Gerritsen
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Bemühungen, den Zustand des Patienten zu stabilisieren und ihn ins Krankenhaus zu transportieren, hatte das Notarztpersonal die Spritze verloren. Die Polizei behauptete, sie nie zu Gesicht bekommen zu haben. Dafür mußte jetzt die Blutanalyse die dringend erforderlichen Antworten geben.
    Wenigstens erwartete man das.
    Sie hatten einiges herausgefunden. Ein Äthanolgehalt von 0,13 im Blut bewies, daß der Mann rein rechtlich betrunken gewesen war. Außerdem war er vollgepumpt mit Steroiden … etwas, das M. J. schon beim Anblick seiner aufgeblähten Muskulatur geahnt hatte. Was die Tests nicht beantwortet hatten, war die vorrangige Frage, welche Droge ihn ins Koma versetzt hatte.
    All die üblichen medizinischen Schritte waren unternommen worden. Trotz einer Glykosebehandlung, Narcan und Thiamin, war er nicht aufgewacht. Die einzige therapeutische Möglichkeit war jetzt noch, seine Körperfunktionen aufrechtzuerhalten, indem man seinen Blutdruck zu stabilisieren versuchte, ihn künstlich beatmete, sein Herz weiterschlagen ließ. Der Rest lag beim Patienten selbst.
    »Sie haben überhaupt keine Krankengeschichte?« frage M. J. »Nichts, was er sich gespritzt hat? Woher er es bekommen hat?«
    »Absolut nichts. Seine Eltern tappen völlig im dunkeln. Sie hatten keinen Schimmer, daß ihr Junge ein Junkie ist.
    Deshalb hat er sich den Schuß vermutlich im Auto gesetzt. Damit sie nichts merken.«
    »Ich habe zwei Frauen im Leichenschauhaus. Beide mit einem seltsamen Kurvenverlauf bei der gaschromatographischen Untersuchung. Die Kurve weist einen biphasischen Gipfel auf. Genau wie bei Ihrem jungen Mann.«
    Dietz seufzte. »Na großartig! Eine neue Wunderdroge fegt durch unsere Straßen.«
    »Wann ist Ihr abschließender toxikologischer Bericht fertig?«
    »Keine Ahnung. Wenn es sich um einen neuen Stoff handelt, kann es Wochen dauern, bis wir ihn identifiziert haben. Wissen Sie, diese Pharmapanscher da draußen fabrizieren Drogen wie andere Leute neue Hemden. Kaum haben wir die neueste Kreation identifiziert, werfen sie schon das nächste Produkt auf den Markt.«
    »Dann sind Sie also meiner Meinung? Wir haben’s mit was Neuem zu tun?«
    »O ja. Ich habe sie alle kommen sehen. PCP, tropisches Eis, Fruit Loops. Das hier ist was anderes. Was richtig Bösartiges. Schätze, der einzige Grund, daß dieser Junge noch lebt und Ihre beiden Frauen tot sind, ist, daß er ein großer, kräftiger Kerl ist. Bei all der Muskelmasse ist schon eine stärkere Dosis nötig, um ihn ins Jenseits zu befördern.«
    Noch ist die Gefahr nicht gebannt,
dachte M. J. und starrte auf den Koma-Patienten.
    »Wenn wir das an die Presse geben, kann ich Sie dann als Informationsquelle nennen?« erkundigte sie sich.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wir sollten eine Warnung rausgeben. Ich meine, vor dem Stoff, der jetzt offenbar die Runde macht.«
    Dietz antwortete nicht sofort. Er starrte weiter auf Nicos Biagi. »Ich weiß nicht recht«, murmelte er schließlich.
    »Was soll das heißen, Sie wissen nicht recht? Sie müssen nur Ihre Meinung sagen. Meine Stellungnahme bestätigen.«
    »Ich weiß nicht recht«, wiederholte er. Er umfaßte den Infusionsständer. »Sie brauchen mich doch gar nicht. Sie haben schließlich die Autorität des Amtes.«
    »Ich könnte Rückendeckung gebrauchen.«
    »Es ist nur … die Presse. Bin nicht wild drauf, mit denen zu reden.«
    »Okay, dann zitiere ich Sie einfach nur mit Namen. Ist das okay?«
    Er seufzte. »Vermutlich. Wäre mir trotzdem lieber, Sie tun’s nicht.« Er richtete sich abrupt auf und sah auf die Uhr. »Ich muß gehen. Wir sprechen uns später.«
    M. J. sah ihm nach, wie er die Intensivstation verließ, die Schultern vornübergebeugt, als wolle er gleich einen Sprint hinlegen.
Wovor hatte er Angst?
überlegte sie.
Warum wollte er nicht mit der Presse reden?
    Sie war auf dem Weg aus der Intensivstation, als sie die Biagis entdeckte, die ihren Sohn besuchen kamen. Sie wußte sofort, wer sie waren. Die Trauer und die Verzweiflung auf ihren Gesichtern sprachen Bände. Mrs. Biagi hatte dunkles Haar, dunkle Augen und ein Gesicht voller Sorgenfalten. Mr. Biagi war wesentlich älter und kahlköpfig. Er wirkte wie in Trance, vollkommen unfähig, irgend etwas zu fühlen. Sie gingen zum Bett von Nicos, wo sie einen Moment schweigend verharrten. Mrs. Biagi strich ihrem Sohn übers Haar und fing an, leise etwas auf italienisch zu singen. Vielleicht ein Wiegenlied. Dann versagte ihr die Stimme, ihr Kopf sank auf die Brust des
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