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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue
Autoren: Tess Gerritsen
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kamen unregelmäßig und stoßweise, aber seine Lunge arbeitete wenigstens.
    Sie hielt ihn noch immer in ihren Armen, als das Notarztteam mit dem Krankenwagen eintraf. Sie kamen im Laufschritt mit ihrer Trage, ihren Sauerstofflaschen, ihrer Notfallausrüstung. Sie stand hilflos daneben, als sie ihn auf die Trage hoben und zum Krankenwagen brachten. Sie blieb allein im heulenden Wind zurück, als die Sirenen in der Dunkelheit verhallten.
    »Du mußt leben«, flüsterte sie. »Weil ich dich liebe.«
    Schritte knarrten über die Holzplanken. Wie benommen drehte sie sich um und sah Lou Beamis, der eine Decke in den Händen hielt. »Blaue Lippen stehen ihnen nicht«, sagte er und legte die Decke um ihre Schultern. »Sonst alles in Ordnung, Novak?«
    »Mir ist … nur kalt.« Sie erschauderte, und Tränen traten ihr plötzlich in die Augen. »Er hat mir das Leben gerettet.«
    »Ich weiß.«
    »Und ich habe ihm nicht geglaubt. Ich hatte Angst, ihm zu glauben …«
    »Vielleicht wär’s mal an der Zeit, daß Sie’s endlich tun.«
    Sie sah zu Beamis’ glänzendem schwarzem Gesicht auf.
    Wenn’s darum ging, daß der Tod den Lebenden Ratschläge erteilte, durfte man sich getrost auf einen alten Hasen vom Morddezernat verlassen.
    Sie ging zu seinem Wagen. »Bringen Sie mich ins Krankenhaus.«
    »Jetzt sofort?«
    »Jetzt sofort«, sagte sie und stieg in den Wagen. »Wenn er aufwacht, will ich dasein.«
    Sie war da, als er aus dem OP kam. Sie blieb an seinem Bett, während er die Nacht durchschlief. Andere Besucher kamen und gingen, sie harrte aus. Er schlief auch den Großteil des nächsten Vormittags. Beruhigungsmittel hatten ihn ruhiggestellt. Die Kugel war glatt durch die linke Lungenhälfte gedrungen, hatte den Herzbeutel gestreift und die Herzkammer nur um Bruchteile von Millimetern verfehlt. Er hatte viel Blut verloren und mußte vorübergehend künstlich beatmet werden, aber er hatte Glück gehabt.
    Um zehn Uhr morgens kam Beamis, um ihr die neuesten Nachrichten zu überbringen. Shradick hatte schwere Phosphorverbrennungen an der Brust, aber er würde überleben … zumindest konnte er wegen dreifachen Mordes vor Gericht gestellt werden. Ed Novak hatte eine Pressekonferenz gegeben und dabei verlautbaren lassen, Ben Fullers Tod sei ihm schon seit langem verdächtig vorgekommen, und nur durch seine Hartnäckigkeit habe der Fall schließlich geknackt werden können. Der Heuchler kam wieder einmal mit einer blütenweißen Weste davon, aber M. J. war das gleichgültig. Falls sich die Wähler von Albion für Ed Novak und Bürgermeister Sampson entscheiden sollten, hatten sie nichts anderes als Mittelmäßigkeit verdient.
    Gegen Mittag erschien neuer Besuch. Es klopfte an der Tür. Maeve stand auf der Schwelle. Sie kam zuerst nicht herein, verharrte an der Tür und starrte quer durchs Zimmer auf ihren schlafenden Vater. Sie trug ein Lederkleid, das wie eine zweite Haut an ihr klebte, hatte ihr regenbogenfarbengetöntes Haar jedoch fast züchtig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihr Gesicht war bleich vor Angst.
    »Wird er wieder gesund?« fragte sie.
    »Ich glaube schon«, antwortete M. J. »Warum kommen Sie nicht rein?«
    Maeve schlich beinahe furchtsam zu seinem Bett. »Dad?« sagte sie leise. Adam regte sich nicht.
    »Schlaftabletten«, erklärte M. J. »Er ist fast bewußtlos.«
    Maeve berührte leicht das Gesicht ihres Vaters. Dann zog sie die Hand hastig und verlegen zurück.
    »Er wäre beinahe gestorben«, sagte M. J.
    Maeve reagierte zuerst nicht, starrte Adam nur unverwandt an. Leise sagte sie schließlich: »Mann, er hat mich fast wahnsinnig gemacht! Hat mir unaufhörlich gesagt, was ich tun soll und was nicht. Aber er war immer da. Das muß ich dem alten Herrn lassen. Er war immer da …« Sie wischte sich mit der Hand über die Augen. Dann machte sie abrupt auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür.
    »Maeve?«
    Maeve hielt inne und sah zurück. »Ja?«
    »Kommen Sie wieder. Wenn er wach ist.«
    Maeve zuckte mit dem Schultern. »Vielleicht«, sagte sie und ging aus dem Zimmer.
    Du kommst zurück,
dachte M. J. und lächelte.
    Am späten Nachmittag kam zum ersten Mal wieder Leben in Adam. Er schlug die Augen auf. Das erste, was er sah, war M. J.s Gesicht, die auf ihn herabblickte.
    »Hallo, Held«, flüsterte sie.
    Er stöhnte. »Mit wem redest du?«
    »Mit dir.« Sie beugte sich vor und küßte ihn zärtlich auf den Mund. »Adam Quantrell.« Als sie sich aufrichtete, verschwamm sein Gesicht in einem Meer ihrer
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