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Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen

Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen

Titel: Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen
Autoren: Ludwig Hellmann
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hatte davor keine Angst. Sie war ihm vertraut. Im Schwarz der Nacht fühlte er sich geborgen. Schließlich hatte er viele Monate lang dicht an dicht mit seinen Geschwistern im Apfel gelebt, ohne dass ein Lichtstrahl hineingefallen wäre. Und dennoch war er unsicher. Viele kleine Lichter tauchten seine Umgebung in ein Meer aus Schatten. Das gab es im Apfel nicht. Und stellt euch die Überraschung des kleinen Apfelkerns vor, als die helle Sichel des Mondes am Himmel auftauchte! Er sah den Mond und die Sterne über den Himmel wandern und freute sich auf den Tag, der mit wenigen Sonnenstrahlen die Nacht vertrieb.
     
    Der kleine Apfelkern entdeckte jeden Tag und jede Nacht neue Dinge. Die meisten Entdeckungen verstand er nicht. Leider hatte er auch niemanden, den er fragen und der es ihm erklären konnte.
    Nach einiger Zeit verspürte er ein Drücken und ein Schieben in sich. Und kurze Zeit später kam eine weiße Spitze zum Vorschein.
     
    „Hey, was ist denn das?“, fragte der Apfelkern lauter als er wollte, denn eigentlich wunderte er sich nicht so sehr. Schließlich hatte er die letzte Zeit so viele und wunderbare Sachen gesehen, ohne zu wissen, was sie bedeuten.
    Plötzlich hörte er eine Stimme: „Tja, kleiner Apfelkern, du keimst!“
    „Was mache ich?“, fragte ängstlich der Apfelkern und sah sich um. Der große Hagebuttenstrauch neben ihm hatte angefangen zu reden.
    „Du brauchst dich nicht zu fürchten. Das weiße Etwas wird dich dein restliches Leben begleiten, denn es ist deine Wurzel“, antwortete er.
    „Ach Unfug! Ich hörte, dass Wurzeln groß, mächtig und vor allem unter der Erde sind“, lachte der kleine Kern und war sich sicher, dass der Busch Schabernack mit ihm trieb. Doch der ließ sich nicht beeindrucken.
    „Na, dann rate mal, wohin sie gerade wächst! Es wird nicht lange dauern und sie ist in der Erde verschwunden. Und außerdem: Alles was groß ist und lebt, hat irgendwann einmal klein angefangen. Auch ich war einmal ein kleiner Samen. Und wenn sich deine Wurzel in der Erde wohlfühlt, wird sie ebenfalls eines Tages groß und mächtig sein. Sie wird dich stets mit Wasser und Nährstoffen versorgen.“
    „Ach, der Regen genügt mir. Und die Nährstoffe? Wozu soll ich die wohl brauchen?“, meinte eigensinnig der Kern.
    „Ohne diese Stoffe“, antwortete der Strauch, „kann keine Pflanze leben. Wir brauchen sie, um zu wachsen, Blätter und Blüten zu bilden und natürlich auch um Früchte entstehen zu lassen. Ach übrigens: Spürst du nicht noch ein Drücken unter deiner Schale?“
    Jetzt fiel es dem kleinen Kern auch auf. Es spannte und drückte unter seiner Haut.
    „Was ist das?“, wollte er wissen.
    „Das, mein Lieber, sind deine ersten Blätter, deine Keimblätter. Bald wirst du dich vom Boden erheben und die braune Schale des Kerns abwerfen“, erklärte ihm der Strauch.
     
    Und tatsächlich: Wenige Tage später wurde der kleine Kern in die Luft gehoben, er verlor sein braunes Kleid, und zum Vorschein kam zwei wunderschöne grüne Blättchen. Sie stellten sich ins Licht und atmeten tief durch. Ein neuer Apfelbaum war geboren.

3. Die gefräßige Schnecke
     
    Begierig saugten die beiden kleinen Blätter des Apfelbaumes das Sonnenlicht auf. Die Wurzel hatte es sich gut im Boden eingerichtet. Hunderte von kleinen Wurzelhärchen sammelten Wasser und Nährstoffe im Boden und schickten dieses Gemisch hinauf in den jungen Trieb mit seinen Blättern. Dankbar nahm der kleine Apfelbaum diesen Saft auf. Dann machte die Sonne in den Blättern daraus eine Zuckermischung. Und an der stärkte sich der Keim.
    „Hallo“, rief die Wurzel „Schicke mir auch mal etwas vom Zucker herunter! Oder wollt Ihr mich verhungern lassen?“
    „Oh, natürlich nicht“, sprach erschrocken der kleine Apfelbaum. „Ich sende dir sofort etwas davon.“
    „Hmm, das schmeckt“, sagte die Wurzel, als das süße Wasser endlich unten ankam.
     
    So ging es einige Tage. Plötzlich zeigte sich zwischen den beiden Keimblättern eine grüne Spitze. Sie wuchs und wuchs, rollte sich aus und streckte sich. Der kleine Trieb hatte sein drittes Blatt bekommen. Es war das Erste, das aussah wie ein Blatt von einem Apfelbaum. Darauf war er sehr stolz.
    „Seht her“, rief der groß gewordene Keim, „Jetzt bin ich ein richtiger Apfelbaum!“
     
    Er konnte es gar nicht verstehen, dass alle um ihn herum lachten. Die Grashalme schaukelten kichernd hin und her und die Blätter vom Hagebuttenstrauch raschelten vor
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