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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung
Autoren: Rotbuch-Verlag
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willen.
    Besser?
    Gut?
    A.C. hat selbst gequält ausgesehen. Ihm war auch schlecht bei dem Gedanken an eine Dreizimmerwohnung. Wir haben dann beschlossen, zur Not lieber unsere Wohnungen eigenhändig zu putzen, weil eine Dreizimmerwohnung doch nicht in Frage kam. Eher zelten, hat A.C. gesagt, und ich habe gesagt, eher Iglu, weil ich Campingplätze nicht schaffe. So wenig wie eine Dreizimmerwohnung. A.C. hat gesagt, lieber Emigration, und ich habe gesagt, lieber U-Bahn-Schacht.
    Was gucken Sie mich so an?
    Als das klar war, haben wir vor Erleichterung noch eine Weile über Dreizimmerwohnungen gesprochen, und daß wir das lieber nicht machen, wir haben uns lauter Wörter aus Dreizimmerwohnungen gegenseitig gesagt und uns bei den Wörtern geschüttelt vor Lachen und Furcht. Wir haben uns sehr gefürchtet. A.C. hat zum Beispiel Polstersitzgarnitur gesagt, und ich habe zum Beispiel Nachttischschränkchen gesagt, er hat Doppelbettklappcouch gesagt und ich Tagessteppdecke, er Einbauküche, Dunstabzugshaube und ich Teppich-Auslegeware und so immer weiter, und mit jedem Wort, das wir uns gesagt haben, waren wir mehr erlöst, weil wir es nicht gekonnt hätten. Es ist besser, man weiß das vorher. Das meiste, was man kann, kann man nur deshalb, weil man alles andere nicht kann. Manches probiert man aus und kann es nicht, und dann muß man zurück auf Los und wieder von vorne anfangen, aber bei der Dreizimmerwohnung haben wir gleich gedacht, das probieren wir gar nicht erst aus, weil darin Nachttischschränkchen und Polstersitzgarnituren vorkommen. Es hätte uns erledigt, Selbstmord Suff Unfall und Krebs, in etwas zu wohnen, worin Nachttischschränkchen und Polstersitzgarnituren vorkommen und uns nach dem Leben trachten. Als wir lange genug über die unmögliche Dreizimmerwohnung nachgedacht hatten, wußten wir immer noch nicht, wie es geht, aber wir waren voll Zuversicht, daß es geht und wir es schaffen werden, weil wir zumindest dem einen Schrecken soeben gerade entronnen waren und dem staatlichen Heiratsamt. Der Schrecken mit Doppelbettklappcouch erschien uns mit einmal als größter und einziger Schrecken auf der Welt, und wir kamen uns stark und tapfer vor, daß wir ihm widerstanden hatten.
    Nur: Wenn man von etwas weiß, daß man es nicht kann, weiß man noch lange nicht, was man kann und wie man es kann, und also hat es fürs erste nur damit geendet, daß wir uns vorgenommen haben, am Leben zu bleiben.
    Dann ist etwas passiert. Als ich das nächstemal in den Kaffeeautomatenbecher gepinkelt und mir auf die Hand gepißt hatte, hat der Arzt gesagt, zwar sei wohl alles in Ordnung; soweit er feststellen könne, sei alles in schönster Ordnung, aber sicher sei sicher. Man sollte es untersuchen lassen. Vorher hatte er sich das künftige Kind auf dem Fernseher angesehen. Er hatte mir eine kalte glibbrige Salbe auf den Bauch geschmiert und ist dann mit einer Art Fernsteuerung drübergefahren, und auf dem Fernseher kam der Bauch von innen. Es ist ein ziemliches Durcheinander, aber wenn man genau hinschaut, sieht man einen schwarzen Punkt, so groß ungefähr wie ein Floh. Der Floh hat gepocht und gepuckert, und es ist sonderbar, daß man einen pochenden, puckernden Floh im Bauch haben soll. Aber da man es auf dem Fernseher sieht, muß es stimmen. Der Arzt hat gesagt, man kann noch nicht sehr viel sehen, soweit er feststellen kann, sei wohl alles in schönster Ordnung, aber, wie gesagt, sicher ist sicher. Ich habe gefragt, was heißt sicher ist sicher, und was für eine Untersuchung, und der Arzt hat gesagt, eine Kleinigkeit von Untersuchung, man piekt mit einer Nadel durch den Bauch und holt sich durch die Nadelkanüle aus dem Bauch etwas Fruchtwasser raus. Ich habe gesagt, und warum tut man das, und der Arzt hat gesagt, daß man es tut, um herauszufinden, ob es beschädigt ist, und wenn es beschädigt ist, kann man verfassungsjuristisch und staatlich erlaubt eine Abtreibung machen. Ich habe gesagt, wie: beschädigt, und der Arzt hat gesagt, so und so beschädigt, Kopf und Rückgrat und erblich, und daß man einige Sorten von Beschädigung auf die Art entdecken könnte, andere seien unentdeckbar, heimlich vererbt, und kämen erst später zutage. Ich hätte gern gewußt, ob es viele Sorten gibt und ob sie häufig vor- und zutagekommen, aber andererseits auch nicht. Also habe ich gesagt, ich denke darüber nach, und gleich unten von der Telefonzelle, die vor dem Haus steht, habe ich Ali angerufen. Ali wäre fast Ärztin geworden und
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