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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung
Autoren: Rotbuch-Verlag
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unpraktisch, und gerade jetzt fängt es wieder an, sehr praktisch zu sein. Mein Putzproblem war unlösbar, weil man dazu einen Dummen braucht. Eine Dumme. Oder man bezahlt, wozu man wiederum Geld braucht. Geld war ein weiteres offenes Problem. Herrschaft! und Reproduktion. Wobei Reproduktion heißt: das Geldverdienen. Das Aus- und Einkommen. Also habe ich immer gedacht, irgendwann mußt du hier aber putzen, wenn ich die Wohnung aufgeschlossen habe, und irgendwann ist eben nie, weil es sehr viele Bücher gibt, die man noch lesen möchte. So ein Kind kommt aber dann und dann auf die Welt, und plötzlich heißt es, bis April muß hier dringend geputzt sein, höflichkeitshalber, und so ungefähr fängt das Muttersein an, die Verblödung, daß du dein Leben noch vor dem April und dem Kind wegputzt, Eimer für Eimer, aufräumst, wegschmeißt, diese Spurenbeseitigung ist keine Frage von Stunden, sondern, wenn man mal damit anfängt, wird ein Lebensprojekt daraus, ein Projekt zur Lebensvernichtung; es hat mich etwas entmutigt. Meine Mutter hat eine Technik, sie sagt, es geht einfacher, wenn man es einmal die Woche macht, den Keller und die Schränke einmal im Jahr, aber ich habe immer gefunden, das ist genau, was man tun muß, um todsicher zu verblöden. Deswegen war das Putzproblem einige Schichten dick, ziemlich organisch und nicht mit Essig zu lösen. Besonders am Herd und um den Herd herum. Außer denken konnte ich damals noch kochen. Und sicherheitshalber hatte ich halbtags Tippen gelernt. Das war etwa das, was ich konnte. Ich hatte sogar noch Kraft drüber.
    Deswegen dann das Kind.
    Bloß wußte ich nicht, wie es geht. A.C. hat schon gar nicht gewußt, wie es geht. Zufällig hatte er auch etwas Kraft drüber. Seine Wohnung war etwa so dreckig wie meine und ebenso unaufgeräumt, und wir haben überlegt, wie es gehen soll oder wen wir fragen könnten, wie es geht. Daß man es schafft. Daß man am Leben bleibt.
    Wir waren uns einig, daß man besser nicht vorher stirbt, also Selbstmord Suff Unfall und Krebs. Bei Weltuntergang kannst du nichts machen. Mein Vater hat später gesagt, es würde ihn sehr interessieren, wie das wäre, mit allen andern gemeinsam zu sterben, was diesem künftigen Kind ja wohl blüht, blühen kann man in dem Fall schlecht sagen; er hätte sich oft überlegt, was man sich wünschen soll, lieber allein in der Klinik im Kabäuschen, im Sterbekabuff mit ärztlichem Zubehör und Komfort und all dem Schnickschnack samt wechselnden Nachtschwestern an sich dran, oder Weltuntergang, alle zur gleichen Zeit, und beim Hinübergehen noch knapp in der letzten Sekunde zu wissen, das war’s nun, du liebe Erde, zunächst mal die nächsten Trillionen Jahre. Von jetzt an ohne Getier. Es war unklar, ob er das als Argument für oder gegen das Kinderkriegen gesagt hat oder einfach aus echtem Interesse.
    Als ich mit A.C. überlegt habe, wie es gehen kann, haben wir uns jedenfalls vorgenommen, am Leben zu bleiben. Wenn es bei einem von beiden nicht klappen sollte, wäre ja noch der andere da, haben wir gesagt und waren ein bißchen erleichtert.
    Dann war da aber noch die Sache mit der Dreizimmerwohnung und dem staatlichen Heiratsamt. A.C. hat davon angefangen. Er hat gesagt, soweit er wüßte, wäre das etwas, was die meisten Leute tun, wenn sie Kinder kriegen. Außerdem wäre das Putzproblem uns mittelfristig auf die Art nicht unelegant vom Hals. Jeder gibt seine dreckige Wohnung auf, und wir fangen mit einer sauberen einfach neu an, und bis die in dem Zustand wäre wie unsere jetzigen heute, ist das Kind aus dem Gröbsten raus, ohne daß einer verblödet. Das leuchtet ein. Mir ist trotzdem ein bißchen schlecht geworden, und ich habe gesagt, das klingt tatsächlich überzeugend, aber ich glaube, ich sollte doch lieber eine Abtreibung machen. A.C., als er gemerkt hat, mir wird davon schlecht, hat gesagt, eigentlich klingt es elend, aber soweit er wüßte, wäre es das, was die meisten Leute tun, und wir hatten niemanden, den wir fragen konnten, weil wir keine Leute mit Kindern kannten und keine kennen wollten. Also wußten wir nicht, wie es geht.
    Wenn man keine Leute mit Kindern kennen will, muß man sich natürlich überlegen, ob man Leute mit Kindern sein will. Das ist wie mit der allerfurchtbarsten Mutter, die jede Frau hat. Man kann sich sagen, ich mache es eben anders, aber man hat es dann nur gesagt. Man bleibt noch längst nicht am Leben, weil man sagt, ich mache es eben anders.
    Nur wie? Um Himmels
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