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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe
Autoren: Max Kruse
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mal sehen... Das wäre ja gelacht... Noch bin ich General!«
    »Ich nehme zehn auf einen Rüsselschlag!« trompetete der Elefant.
    »Immer ist Löwe weg, wenn man ihn am nötigsten braucht«, jammerte das Kamel.
    »Wir müssen jetzt unseren ganzen Verstand gebrauchen«, zischte die Kobra und blähte ihren Hals auf, so daß es aussah, als blicke sie sehr gelehrt durch die Brille. »Wir müssen Rao überlisten. Ich mache folgenden Vorschlag: Der Flamingo versucht bis in die Höhe des Kondors vorzudringen. Er soll mit ihm reden und ihn zu unserem Verbündeten machen. Das beste wäre, er würde den Spiegel fallen lassen, damit Rao nicht mehr sehen kann, was bei uns vorgeht. Vielleicht gelingt es sogar, ihn auf unsere Seite zu ziehen.«
    »Ich will alles tun!« versprach der Flamingo. »Aber ob ich überhaupt so hoch zu steigen vermag, daß ich mit ihm reden kann, bezweifle ich.«
    Die Kobra fuhr fort: »Ich schlängele mich inzwischen rasch zur Burg Machatofel. Niemand wird mich hören oder sehen. Ich hoffe, es gelingt mir, mit der Kraft meines Leibes die Falltür des Käfigs, in dem Löwe sitzt, hochzuziehen. Danach werden Löwe und ich der Blechbüchsenarmee in den Rücken fallen. Vielleicht ist dies ein Plan, der uns gar nicht eingefallen wäre, wenn Löwe nicht in der Burg gefangen säße. Zumindest werden wir aber versuchen, Rao und den Gibbon zu überraschen und in Verwirrung zu bringen, wenn sie hier hinaufstürmen.«
    »Großartig«, rief der General. »Die Kobra ist der geborene Feldherr!«
    »In den Kampf!« trompetete der Elefant. Es klang wie ein heiseres Kreischen. »Wir werden sie zwischen uns zermalmen!«
    Der Flamingo schickte einen nicht sehr hoffnungsvollen Blick zum Himmel, wo der Kondor in unermeßlicher Ferne, winzig wie ein Punkt, kreiste. Dann nahm er alle Kraft zusammen und startete zu seinem Höhenflug.
    Die Kobra züngelte geschmeidig und blitzschnell die Treppe hinab und verschwand geräuschlos im Rasen.

Was sind schon Menschen?

    Über die herabgelassene Zugbrücke marschierten die Blechbüchsensoldaten, angeführt und angefeuert vom Korporal, unter wehenden Fahnen und Trommelklang.
    »Ram-ta-tamm! Ram-ta-tamm!« dröhnte das Kalbfell, donnerten die Holzbohlen — und die Rüstungen schepperten. Die Einwohner der Stadt Burugel verschwanden, wie Mäuse in ihre Löcher, in den Häusern; sie schlugen die Türen zu und verriegelten die Fensterläden. Die Blechbüchsenarmee schlängelte sich wie ein Wurm durch die menschenleeren Straßen.
    Höher und immer höher stieg der Flamingo. Schon lagen Stadt und Land weit unter ihm. Da schimmerte das Meer, da glänzten die Ströme Nexapel und Gurguntua, aber der Kondor zog noch immer klein und unerreichbar fern seine Kreise. Die Luft wurde dünner. Die Flügelschläge wurden matter und langsamer.
    »He, du Kondor da oben!« rief der Flamingo und verdrehte seinen Hals im Flug. »Kannst du mich hören?«
    »Ich bin schließlich nicht taub!« krächzte es hochmütig zurück.
    »Ach, gottlob!« antwortete der Flamingo. »Ich bin nämlich am Ende meiner Kräfte. Ich muß dich unbedingt sprechen.«
    »Ich dich nicht.« In den Fängen des großen Vogels blitzte der Spiegel.
    »Bitte«, rief der Flamingo, der sich noch ein wenig höher geschwungen hatte, »laß dich etwas herab zu mir, damit ich nicht so zu schreien brauche. Man kann doch nicht alle wichtigen Dinge laut in die Welt hinausposaunen.«
    »Für mich hier oben ist nichts wichtig!« antwortete der Kondor. Er segelte aber doch einige Schleifen abwärts, so daß er in die Nähe des Flamingos kam.
    Nun redete, bat und erzählte dieser: »Du mußt uns helfen... der Prinz ist in großer Gefahr... Rao und der Gibbon sind leibhaftige Teufel!«
    »Oh«, antwortete der Kondor, »du schwächlicher rosa Vogel, was geht mich das an? Ich versehe meinen Dienst, weil ich gut versorgt werde und weil es mir nichts ausmacht, hier herumzufliegen und den Spiegel zu halten. Aber ich habe mir nie die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, ob ich guten oder bösen Menschen diene. Was sind schon Menschen? — Ich benutze sie, damit sie mich ernähren. Wenn es mir eines Tages kein Vergnügen mehr macht, werde ich den Spiegel fallen lassen und in ein anderes Land fliegen.«
    Der Flamingo flehte. Er pries den Prinzen mit den liebevollsten Worten. Er schilderte die Grausamkeit Raos in den düstersten Tönen.

    Aber alles schien umsonst zu sein. Der Kondor wendete sich ab und stieg wieder empor. »Ich werde darüber nachdenken«,
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