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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe
Autoren: Max Kruse
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Neulöwenburg

    Mit Pauken und Trompeten wurden sie geweckt. Die Fensterscheiben zitterten. Das Kamel zog die Vorhänge auf, schaute aus dem Fenster und wieherte: »Eine Huldigung! O großer Gott der Kamele, wie fühle ich mich geehrt!«
    Vor Doks Haus standen die Einwohner der kleinen Stadt Irgendwo und schwenkten die Taschentücher.
    Da hieß es rasch aufstehen.
    Es war der Tag des Abfluges. Der Sultan wollte wieder nach Sultanien zurückkehren. Gestern abend hatte er mit seinen Freunden Abschied gefeiert. Kim und Pips waren besonders traurig. Aber da die Schule wieder anfing, mußten sie zu Hause bleiben. Und auch Dok mußte seine Arbeit als Tierarzt im Zoo wieder beginnen: Krodi, das frischvermählte Krokodil, klagte über Zahnschmerzen.
    Der Hund Wu seufzte und meinte: »Wir sehen uns bestimmt bald wieder. Meine Nase kitzelt. Und das hat immer etwas zu bedeuten. Hoffentlich nicht, daß ihr ohne uns aufregende Dinge erlebt!«
    »Ph!« machte Schipp, die Katze. »Das wäre zu unfreundlich.«
    »Ich fliege noch eine Weile neben euch her«, versprach der Rabe Ra. »Dann weiß ich etwas länger als die anderen, was euch widerfährt, und kann es daheim berichten.«
    »Was mir am meisten Kummer macht«, sagte der Sultan mit gerunzelter Stirn zu Totokatapi, »ist, daß mein Minister für Angelegenheiten des angenehmen Lebens vorläufig hierbleibt. Ich verstehe zwar, daß du eine ganze Menge Dinge in deinem Kaufhaus zu ordnen hast — auch ich würde vielleicht ganz gern mit all den schönen Spielsachen spielen — und daß du deinen Geschäftsführer mit dem tomatenroten Gesicht erst einarbeiten mußt, aber vergiß nicht, daß du mein wichtigster Minister bist!«
    Totokatapi versprach, es nicht zu vergessen.
    »Mir ist es lieber so«, sagte das Kamel. »Drei Fluggäste sind für ein so unsicheres Luftfahrzeug, wie der fliegende Teppich eines ist, bestimmt besser als vier... Ach, wären wir nur schon in Sultanien! Ich befürchte Schlimmes...« Seine Unterlippe zitterte.
    Nun, man wußte ja, daß es sich immer davor fürchtete, den fliegenden Teppich zu besteigen. Das war also kein Grund, an böse Vorzeichen zu glauben.
    Jetzt aber schmetterte unten die Blasmusik. Die Bürger der kleinen Stadt Irgendwo geleiteten sie in feierlichem Zug auf den Marktplatz. Dort stand der Schutzmann Poch neben einem drei Mann hohen Gegenstand, der mit einer Sackleinwand umhüllt war. Poch hielt einen Zipfel in der rechten Hand.
    »Es ist wunderbar ganz wunderbar wißt ihr schon«, plapperte Frau Wißtihrschon auf ihre Ohne-Punkt-und-Komma-Weise. »Es ist ein großes Geheimnis und es darf noch niemand wissen aber alle wissen es natürlich die kleine Stadt Irgendwo...! «
    »Ruhe!« brüllte da der Schutzmann Poch mit mächtiger Stimme, und die Blaskapelle spielte einen so lauten Tusch, daß es sogar Frau Wißtihrschon vor Schreck die Luft verschlug und sie mit offenem Mund dastand und dem Schutzmann Poch zuhörte.
    »Werte An- und Abwesende! In unserem Zoo hat einmal ein Löwe gelebt, der ausgerissen ist. Er überstand viele Gefahren und wurde in Sultanien Polizeipräsident. Schließlich kam er in unsere Stadt zurück und half uns, einen gefährlichen Dieb zu fangen. Und nun verläßt er uns wieder. Das tut uns leid. Damit wir ihn trotzdem bei uns behalten können, haben wir ihn als Denkmal nachbilden lassen — hier ist es!«
    Poch zog die Sackleinwand von dem drei Mann hohen Gegenstand ab, und als sie zu Boden sank, enthüllte sie ein überlebensgroßes Standbild von Löwe! Es sah wunderbar aus. Mit stolz gerecktem Kopf schaute er über die Dächer der Stadt und hatte eine Tatze so erhoben, als ob er Pfötchen geben wollte.

    »Hurra! Hurra! Hurra!« schrien alle. Die Musik spielte, und Löwe blickte verlegen zu Boden. »So mächtig bin ich!« murmelte er.
    »Halt, ich bin noch nicht fertig«, rief der Polizist Poch. »Eine Stadt, die so eine Geschichte erlebt hat und so ein schönes Denkmal besitzt, kann unmöglich länger eine x-beliebige Stadt Irgendwo sein. Deshalb haben wir beschlossen, ihren Namen in >Neulöwenburg< zu ändern.«
    »Neukamelburg wäre schließlich auch ein hübscher Name gewesen«, brummte das Kamel beleidigt. Aber man hörte es nicht, weil das Hurraschreien der Einwohner von Neulöwenburg und das Pauken, Trompeten und Beckenschlagen viel zu laut war.
    Es tönte gewaltig, während der Sultan auf die nur ihm bekannte Weise in die Hände klatschte, ihre Innenflächen dreimal gegeneinanderrieb und rief: »Teppich,
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