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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe
Autoren: Max Kruse
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verlegen die Augen nieder, und Löwe bemühte sich, bei seinem katzenhaften Gang zu verhindern, daß auch nur eine seiner Krallen das winzigste Geräusch auf dem Boden verursachte. Vor dem Thron nahmen sie auf seidenen Kissen Platz, und der Prinz fragte sie zu ihrem Erstaunen: »Was führt euch zu mir?«
    Betroffen sahen sich der Sultan, Löwe und das Kamel an. Aber die Kobra antwortete an ihrer Stelle. »Erhabener Prinz, wir haben die Fremden zu deiner Hilfe hergebeten.«
    »Ich bedarf keiner Hilfe!« Eine Falte des Unmuts kräuselte die Stirn des Knaben. »Ihr müßt wissen, daß meine Freunde glauben, ich sei von Feinden umringt und meine Macht sei bedroht. Aber ich begehre die Macht nicht. Seit meine Eltern gestorben sind, habe ich das Lachen verlernt und nur noch den einen Wunsch, mich einem heiligen Leben zu weihen. Deshalb bedeutet es mir nichts, wenn andere die Regierung meines Landes übernehmen.«
    Der Elefant trompetete so entrüstet, wie es seine Achtung vor dem Prinzen nur eben zuließ, und die Kobra spreizte zornig ihre Halsrippen, wodurch die Brillenzeichnung prächtig sichtbar wurde. Der Flamingo wechselte das Standbein und verbarg den Kopf unter den Schulterfedern des Rückens.
    »Du verletzt deine Pflichten!« zischte die Kobra. »Du bist der Herrscher und darfst dich deiner Aufgabe nicht entziehen!«
    »Es steht dir nicht zu, mich zurechtzuweisen! « rief der Prinz mit ungewohnter Schärfe. Gleich darauf aber fügte er sanft hinzu: »Ich weiß, du meinst es gut!«
    Das Kamel sah so aus, als ob es eine seiner weisen Bemerkungen machen wollte, aber es traute sich nicht. Es blickte den Sultan nur bittend aus dunkel-feuchten Augen an.
    »Prinz«, sagte dieser. »Ich regiere ein Land, so wie Ihr es regieren sollt. Und ich weiß, dieses Amt ist eine schwere Bürde. Aber auch eine Verpflichtung. Wir sind für das Wohl und Wehe unserer Untertanen verantwortlich. Wir dürfen die Macht nur dann aus der Hand geben, wenn ein Besserer sie übernimmt.«
    Prinz Panja sah ihn nachdenklich an.
    »Rao ist ein Teufel«, brummte der Elefant, »und der gespenstische Gibbon ein noch größerer. Gnade allen Nekaragiern, ihren Kindern und Tieren, wenn diese beiden hier herrschen sollten.«
    »Noch habe ich treue Diener«, murmelte der Prinz. »Und Rao ist mein Onkel. Er wird von euch verleumdet. Niemals wird er etwas Böses unternehmen — und schon gar nicht gegen mich!«
    »Deine Diener verlassen dich!« widersprach da die Kobra. »Und sie haben recht, denn weil sie sehen müssen, daß du nichts tust, um deine Macht zu befestigen, ja, sie dir sogar willenlos nehmen läßt, glauben sie, nur dann eine einigermaßen erträgliche Zukunft zu haben, wenn sie Rao rechtzeitig ihre Ergebenheit beweisen. Und Rao wird dich vernichten, sobald er es gefahrlos tun kann — nämlich, wenn deine letzten Freunde dich verlassen haben!«
    »Bringt mir einen Beweis seiner Untreue!« sagte der Prinz.
    »Hat er dir schon seine Ergebenheit bewiesen? Hat er schon den Treueid geleistet? Und erst nachdem er das getan hat — das weißt du — , kannst du König werden.«

Die Wände erzittern

    Prinz Panja konnte nicht mehr antworten, denn plötzlich wurde die Flügeltür zum Thronsaal ungestüm aufgerissen. In ihrer Mitte salutierte General Blech so klirrend, daß der Prinz zusammenschreckte. Der General war in voller Rüstung und wirkte schrecklich mit seinem Schwert in der rechten, dem Spieß in der linken Hand und den Eisenstacheln auf seinem Panzer.
    Noch unheimlicher aber war sein Begleiter. Er sah aus wie ein Geist aus der Unterwelt, eingehüllt in ein weißes Gewand, aus dem nur ein greisenhaftes Gesicht mit totenähnlichen Augen herausschaute. Hinter ihm her wehte ein purpurroter Mantel aufrührerisch im Luftzug. Die Öllampen flackerten, als ob sie ausgehen wollten.
    Es war der Gibbon im Staatsgewand. Er neigte nur hochfahrend und andeutungsweise das Haupt und sagte mit rauher Stimme: »Erhabener Prinz. Mein Herr, Hoheit Rao, entbietet Euch Gruß und alle Ergebenheit. Er hat den Wunsch, Euere Herrschaft nun in aller Öffentlichkeit und feierlich anzuerkennen. Er bittet Euch darum, ihn ebenso vor aller Augen mit Eurem Vertrauen auszuzeichnen und auf die Burg Machatofel zu kommen. Dort will er sich Euch zu Füßen werfen.«
    Alle starrten sprachlos zur Tür, wo die frechen Eindringlinge auf Antwort warteten. Der Prinz schwieg lange nachdenklich. »Ich werde kommen!« sagte er schließlich.
    Die Kobra wollte empört aufzischen und blähte
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