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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe
Autoren: Max Kruse
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darauf auch einen Teppich, auf dem es sich ein dicker Sultan, ein Löwe und ein Kamel bequem gemacht hatten. Das war wohl mehr als bemerkenswert.

    »Henkersbeil und Galgenstrick!« fluchte der finstere Rao, nachdem er Professor Nomus zur Seite geschubst hatte und selbst durch das Rohr schaute. »Aufspießen! Braten! Zersäbeln! Zerhacken! — General Blech, diese unverschämten Eindringlinge müssen sofort vernichtet werden!«
    »Zu Befehl! Sofort!« salutierte der General der Blechbüchsenarmee. »Aber wie? Da oben? Wir können ja nicht durch die Luft rollen!«
    »Dann lernt es«, schnaubte Rao unwirsch. »Meine Armee muß alles können!«
    »Natürlich, werde sofort mit den Übungen beginnen!« General Blech rasselte mit allem, was er an sich trug, und stiefelte hinab in den Burghof.
    »Eine Kompanie freiwilliger Blechbüchsen vor zum Fliegenlernen!« Zack-zack, da standen sie in Reih und Glied. »Reeechts um! — Marsch!« General Blech marschierte voran zum Übungsplatz im Vorhof der Burg, wo ein großer Sandhügel aufgeschichtet war. Dieser diente eigentlich dazu, das richtige Hinlegen und Hangabwärtsrollen zu lernen — die wichtigste Übung beim allmorgendlichen Appell. Aber heute ließ der General seine Soldaten den Hügel erklimmen, die Arme spreizen und auf das neue Kommando »Springen! — Flug!! — Fluug!!!« in die Höhe hüpfen und, Kopf voran, vom Hügel stürzen. Das krachte wie Kanonenschüsse, und die Büchsen bekamen Beule auf Beule. Aber der General gab nicht auf, und die Blechbüchsensoldaten übten unverdrossen weiter. Von oben konnte man sie für seltsam ungelenke Käfer halten. Rao beachtete sie nicht, er schaute durchs Fernrohr.

    »Schlamperei!« rief er eben erbost. »Ich sehe nichts mehr.«
    Rasch sprang Professor Nomus herbei und befahl dem zweiten Ameisenbären: »Höher! Mehr nach rechts!« Denn der Kondor mit dem Spiegel war in eine andere Richtung geflogen. So hatte ihn Rao aus dem Blickfeld verloren. Jetzt aber war der Vogel mit dem Spiegel wieder deutlich sichtbar. Und Rao brummte: »Der Teppich wird von dem törichten Flamingo geleitet. Dahinter steckt eine Teufelei. Er führt sie zum Schloß Firifalo. Was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, daß die fremden Leute Prinz Panja zu Hilfe kommen wollen!«
    »Befiehl sofort dem General, daß er ausmarschieren läßt, um sie zu fangen!«
    »Der General!« Burgrat Gibbon schaute verächtlich vom Turm auf das seltsame Treiben im Burghof. »Der General würde uns alles verderben. Ich wette, wenn man seinen Helm aufhebt, um nachzusehen, was drunter ist, findet man nur ein Loch. Wie wenig Verstand er hat, sieht man doch schon an dem, was er gerade treibt. Seine Blechbüchsen werden genausowenig fliegen können, wie es diese kolossale Riesenschildkröte mit ihrem winzigen Kopf kann, die sich eben so mühsam die Turmtreppe emporquält.«

Hilfe, die Wendeltreppe!

    Kolossalis hatte sich gerade über die letzte Treppenstufe geschoben und ärgerte sich gewaltig über diese Worte. Schon als Kind hatte sie sich darüber aufgeregt, wenn man sie damit hänselte, daß ihr Kopf im Verhältnis zu ihrem Körper mit dem mächtigen Panzer wirklich nur stecknadelgroß war.
    Der Gibbon glaubte in ihren Augen Gedanken zu lesen, die ihm gar nicht gefielen: Sollte dieses Tier am Ende doch nicht so dumm sein, wie es aussieht? dachte er. Mißtrauen erfaßte ihn. Schließlich war Kolossalis ja erst vor kurzer Zeit auf die Burg Machatofel gekommen. Vielleicht wollte sie nur auskundschaften, was hier geplant wurde und es dem Prinzen berichten?
    »Weg mit dir!« fauchte er sie an, sprang von seinem Sitz von der Burgmauer und gab ihr mit seinen langen, unheimlich mächtigen Armen einen Schubs, so daß sie in die Turmluke zurückfiel.
    Hilfe, die Wendeltreppe! dachte Kolossalis. Dann aber konnte sie nur noch Kopf und Beine einziehen, denn jetzt schoß sie hinab, immer an der Mauer der Wendeltreppe entlang wie ein Bobschlitten durch die Steilkurven, gestoßen von Stufe zu Stufe, die so rasch aufeinanderfolgten wie die Schläge eines Trommelwirbels.

    Die Wache am Burgtor hörte diesen Donner und rief: »Alarm!« Es war zu spät, die Zugbrücke hochzuziehen. Schon polterte das mächtige Geschoß heran, sauste aus der Tür, schlitterte über die Brücke, so daß die Wache nur noch über das Geländer in den Wassergraben springen konnte, um sich in Sicherheit zu bringen, und raste den Burgberg hinab, bis es tief unten in dichtem Gestrüpp verschwand.
    Burgrat Gibbon stand
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