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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe
Autoren: Max Kruse
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glückliche Heimkehr.
    Dann schlug endlich auf Burg Machatofel der Gong zwölfmal — und der Sultan schickte das Gespenst Löwe auf den lautlosen Flug durch die Nacht.
    Die wachhabende Blechbüchse glaubte zunächst, daß eine Nebelwolke auf der Burgmauer niederging. Dann aber sah sie den mächtigen Burggeist Huh-Oh-Ah, eben seinem Grab entstiegen, geräuschlos über die Treppe in den Hof schreiten. Ein eisigkalter Wind ging ihm voraus und heulte schauerlich in den Kaminen. Schreckensstarr, unfähig, einen Warnruf auszustoßen oder sich zu bewegen, sank der Soldat in seiner Büchse zusammen.
    Irgendwo polterten Steine.
    Das Gespenst überquerte den Hof. Der Korporal, über die Landkarten gebeugt, spürte die merkwürdige Stille draußen. Er schaute auf und sah vor dem Fenster das grausige Gesicht eines längst vermoderten Greises, die Spukgestalt eines vor Jahrhunderten heimtückisch ermordeten Burggrafen. — Kreidebleich, so, als ob ihn eine Hand am Hals würgte, sprang er auf und stieß dabei die Kerze um. Nur wie einen fahlen Schein sah er nun den Geist und hörte dessen dumpfe Stimme: »Ich warne — warne dich! Jeden — jeden hole ich, der seine Hand gegen Prinz Panja erhebt!«

    Wimmernd verkroch sich der Korporal unter dem Tisch.
    Von oben klangen laute, lärmend fröhliche Stimmen.
    »Euch bringe ich zum Schweigen!« murmelte das Gespenst und schlurfte kettenklirrend die Treppe empor.
    Gerade sangen Rao und der Gibbon das Lied:

    »Wir zerstören das Schloß,
    da bleibt kein Stein,
    und den Prinzen, den Prinzen,
    den sperren wir ein...«

    Da flackerten die Kerzen in den Leuchtern wild im sausenden Luftzug und verlöschten bis auf eine, die um ihr Leben kämpfte, denn eine unsichtbare Hand hatte die Tür geöffnet. In ihrem Rahmen stand ein überirdisches, mächtiges Wesen, halb Geist, halb Vogel, das seine Gestalt fortwährend veränderte, mit Ketten rasselte, erstickt röchelte, mühsam keuchte — ein Dämon, in Dampf gehüllt.

    Das Lied erstarb, die Humpen knallten auf den Tisch, zwei Gestalten wichen rückwärts an die Wand; sie fühlten, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte, wie ihre Haare zu Berge standen, wie kalte Schauer über ihre Haut fuhren. Sie fielen zu Boden, als das Phantom mit dumpfer Stimme murmelte: »Ich warne — warne — warne euch! Jeden — jeden — hole ich, der seine Hand gegen Prinz Panja erhebt. Schwört, euch zu unterwerfen! Wenn euch euer Leben lieb ist!«
    »Wir schwören!« kam es zitternd zurück.
    »Es ist gut«, donnerte das Gespenst — und zog sich lautlos zurück.
    »Es wird Zeit für mich, mit dem Spuken aufzuhören«, murmelte Löwe in seinen Schnurrbart, »denn ich fange wirklich an, mich vor mir selbst zu grausen. Hoffentlich begegnet mir kein richtiges Gespenst!« Rasch schlüpfte er die Treppe wieder hinab. Majestätisch geisterte er nochmals durch den von roter Glut erhellten Hof.
    Da sah er plötzlich, wie ein schwarzer Stein sich in einen riesigen Totenvogel verwandelte und mit dunklen Schwingen über ihn dahinstrich. Er fühlte ein Brennen in der Kehle, beschleunigte seinen Schritt — aber nun trat ihm ein gräßlicher Unhold entgegen. Groß wie er, ein bleicher Riese mit flatternder Mähne, mit rotfunkelnden, schwarzumrandeten Augen...

    Ein Schreckensschrei entrang sich Löwes Brust: »Ein Gespenst — Hilfe! — Ein Gespenst!« brüllte er, machte einen mächtigen Satz, krachte mit der Stirn an eiserne Stäbe, ein Gitter sauste herab — und Löwe saß gefangen im Käfig des Kondors. Und der Spuk, der eben noch über die Fläche des großen, kreisrunden Spiegels an der Burgmauer gegeistert war, war verflogen.
    Der Kondor kehrte von seinem kurzen Flug auf seinen Baumstumpf zurück und schloß gleichmütig die Augen.
    Auf der Terrasse des Schlosses Firifalo aber spitzte das Kamel die Ohren und fragte besorgt: »War das gut gebrüllt, Löwe?«
    Sie warteten die ganze Nacht bis zum Morgengrauen vergeblich auf seine Rückkehr.

Es steht schlimm

    Der rotglühende Planet Mars versank, seiner vorgezeichneten Bahn folgend.
    »Es gibt einen Kampf«, sagte Professor Nomus seufzend, »und einer wird siegen.« Aber um herauszufinden, wer, war die Nacht zu kurz gewesen. Professor Nomus war so von den Vorgängen am Himmel gefesselt, daß er den Spuk unten im Burghof nicht bemerkt hatte.
    Nun schleuderte die Sonne hinter den Bergen ihre ersten Lanzen empor. Der Riesenvogel Kondor öffnete seine Augen, bewegte, sich reckend, seine Flügel, warf einen hochmütigen und
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