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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe
Autoren: Max Kruse
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Gefangenschaft. Wenn du deine Fehler einsiehst und dich besserst, kannst du vielleicht später wieder einmal in Frieden — wenn auch ohne Macht und Reichtum — unter uns leben. Darauf geben wir dir unser Wort!«
    »Was?« brüllte Rao zurück. »Du kleiner Zwerg wagst es, mir mit Gefangenschaft zu drohen? Laß die Burg nur stürmen, ihr bekommt uns ja doch nicht. Und dich werde ich vorher noch mit dieser Lanze durchbohren.«
    Er bückte sich, ergriff einen Spieß und holte zum Wurf aus. Der Prinz duckte sich und glitt zu Boden. Ein Schreckensschrei aus aller Munde ertönte... und dann ein weiterer Schrei, den Rao noch gellender, angstvoller ausstieß, denn der Speer hatte sich in seiner Hand gebogen und ihm ein züngelndes Schlangenhaupt zugekehrt. Als habe er glühende Kohlen ergriffen, ließ Rao die Kobra fallen, drehte sich auf dem Absatz um und polterte fliehend die Treppe der Mauer hinab. Der Gibbon folgte mit großen Sprüngen.
    Die Kobra aber glitt zum Tor, riß die Verriegelung aus der Winde der Zugbrücke, und diese fiel krachend über den Graben.
    Nun war der Weg in den Burghof frei.
    Die Ereignisse überstürzten sich.
    »Ihnen nach!« befahl General Blech und stürmte hinter Rao und dem Gibbon her, die sich in den steingrauen Saal zu flüchten suchten.
    Die Kobra zeigte dem Elefanten und dem Sultan rasch den Weg zum Löwenkäfig, und dem starken Rüssel des Elefanten gelang, wozu die Schlange zu schwach gewesen war. Das Fallgatter hob sich, Löwe war wieder frei.
    Da erschienen Rao und der Gibbon auf dem Balkon.
    »Sie haben sie!« jubelte das Kamel, denn schon sah man die ersten Lanzenspitzen in der Türöffnung auftauchen. Doch — zu spät! Eng aneinandergeklammert, als wollte jeder verhindern, daß ihn der andere hinabstieße, stiegen Rao und der Gibbon auf einem fliegenden Teppich hoch. Der General verfehlte die Fransen um Fingerbreite mit seinem Schwert.

    Rao und der Gibbon lachten höhnisch.
    »Es liegt noch ein zweiter Teppich auf der Mauer!« rief der Flamingo aus der Höhe.
    »Mir nach«, rief Löwe dem Sultan zu, »rasch!« Er erklomm die Treppe zur Burgwehr, dorthin, wo er in der vergangenen Nacht gelandet war. Keuchend stolperte der Sultan hinter ihm her. »Immer, wenn ich eine Rüstung anlege und mich bewaffne, ist mir der Kram hinderlich!« japste er.
    Da lag der zweite Teppich seit der vergangenen Nacht. Niemand hatte ihn gesucht oder zufällig gefunden. Nur ein Satz, und Löwe stand in seiner Mitte.
    »Schneller, schneller!« rief er dem Sultan zu, dessen gerötetes Gesicht eben über dem Mauerrand sichtbar wurde, für Löwes Ungeduld so langsam wie ein aufgehender Vollmond. Denn schon hatten Rao und der Gibbon einen Vorsprung, schon kurvten sie über dem Graben und steuerten auf die Stadt zu.
    Wütend drohte der General mit der Faust vom Balkon hinter ihnen her, aufgeregt umflatterte sie der Flamingo, aber Rao vertrieb ihn mit pfeifenden Schwerthieben. Das Kamel wieherte, der Elefant trompetete enttäuscht, und die Schildkröte seufzte wieder: »Wenn ich doch fliegen könnte!«
    »Nun«, höhnte Rao hinab, »wer will mich fangen? Wartet nur, ich komme mit einem großen Heer zurück und nehme an euch allen schreckliche Rache!«
    Jetzt erreichte der Sultan endlich den Teppich. Er klatschte in die Hände, rieb die Innenflächen dreimal gegeneinander und rief: »Teppich, erhebe dich!«
    »Du liebe Güte, dauert das alles lange!« seufzte Löwe. Aber nun blieb die Mauer unter ihnen zurück.

Die Verfolgung

    Das war eine Jagd, an die alle, die sie beobachteten, noch lange denken mußten. Rao wurde schreckensbleich, als er den Sultan mit dem mächtigen Löwen aufsteigen sah. Er versuchte den Gibbon hinabzustoßen, damit der Teppich leichter und schneller wurde. Aber der Burgrat wehrte sich mit seinen langen Armen und großer Kraft erfolgreich. »Ist das der Dank für treue Dienste?« keuchte er. Rao mußte von ihm ablassen, und beide knieten sich nieder, um den Luftwiderstand zu verringern.
    »Horia-ho-ho!« trieb der Sultan seinen Teppich an, wie ein Rennpferd, und wirklich ging der Flug pfeilschnell auf die Stadt zu. Sie sausten über die Wiese und über die Büsche, der Wind pfiff ihnen nur so um die Ohren. Sie kurvten um Baumwipfel und streiften fast die Äste. Es ging hinab, genau auf den Weg, so plötzlich »wie auf der Berg- und Talbahn des Rummelplatzes«, rief Löwe. Fast hätte der Sultan das Gleichgewicht verloren. Löwe konnte gerade noch seinen Hosenboden schnappen.
    Schon
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