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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine
Autoren: Warren Ellis
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musste.
    Mitten auf der Fahrbahn rannte er die Straße hinunter. Sobald er sich einer Ampel näherte, schlug er Haken, da er seit jeher wusste, dass Ampeln oft von Kameras überwacht wurden. Er erkannte sie an ihren drei vertikal angeordneten Augen und an ihren langen schwarzen Körpern, die sich aufbäumten wie Kobras vor dem tödlichen Biss. Seine Schritte fielen abwechselnd auf Asphalt und Erde. Nichts stimmte mehr.
    Doch er hatte ein Ziel.
    Auf der Straße trieben sich noch Menschen herum, und alle starrten ihn an. Die Farbe war überall an seinem Körper, sie sickerte durch seine Kleidung und verklebte ihm die Lider. Am äußersten Rand seines Blickfelds registrierte er ein kleines Blinken, ein rotes Licht. Der Jäger riss die Waffe hoch, doch er sah nur eine Lücke zwischen zwei Bäumen, die sich kurz darauf zu einer Ladenfassade verfestigte. Er ging näher heran. Wieder flammte das rote Licht auf. Auf einem Kasten voll schwarzem Glas– einem Computer, sagte er sich– saß ein Auge. Als er direkt davortrat, verlosch das rote Licht unter dem Auge.
    Der Jäger rannte. Drei Geschäfte weiter blinkte wieder ein rotes Licht.
    In allen Fenstern waren Augen.
    Er war gefangen in der Zukunft, beobachtet von allem und jedem.
    Der Jäger erreichte den Zebrastreifen. Ein Bison raste quer über den Pfad auf ihn zu, ein gigantisches dunkles Tier mit nassem, vom Teichwasser getränkten Fell. Ohne stehen zu bleiben, schoss er dem Bison zwischen die Augen. Der Bison trudelte widernatürlich zur Seite, prallte auf einen breiten Schwarzahorn an der Ecke und wickelte sich um den Stamm. Rauch stieg von seinem reglosen Körper auf. Doch der Jäger war schon fort.
    Mit einem Daumendruck stellte Tallow die Ambient Security auf Forward. Sofort empfing das System erste Bilder bewegungsmeldergesteuerter Webcams in den Straßen vor ihm– darunter eine faszinierende Aufnahme eines panischen, von oranger Farbe übergossenen Typen, der wirr in eine Kamera starrte und begriff, dass er gefilmt wurde. Die Kamera befand sich drei Blocks weiter. Du bist ganz schön flott unterwegs, was?, dachte Tallow. Ein Glück, dass er den Wagen genommen hatte. Zu Fuß hätte er niemals mithalten können, und offen gestanden tat er sich selbst im Auto schwer. Er verglich die Position der Kamera mit der Karte, warf einen Blick auf die Verkehrsinformationen und bog ab. Hoffentlich hatte er richtig geraten. Wenn nicht…
    Da sah er ein Auto, das sich mit eingeschossener Windschutzscheibe in einen Laternenmast gefräst hatte.
    Ein Luchs jagte am Jäger vorüber, begleitet von einem Rauschen wie ein Sturm am Flussufer. Auf seinem Rücken ritt ein Mensch mit flachem Glasgesicht.
    Fieberhaft versuchte der Jäger, seine Erinnerung mit der Umgebung abzugleichen, doch alles befand sich im Wandel. Endlich gelang es ihm, ein Straßenschild aus dem wirbelnden Chaos seines Sichtfelds zu schälen. Er orientierte sich und sprintete einen schmalen Verbindungsweg hinunter.
    Als Tallow den verwaschenen Schnappschuss auf dem Handy entdeckte, fuhr sein Blick zur Karte– und er wusste, wohin der Jäger rannte. Er kannte die Gasse, er kannte ihren Verlauf. Jetzt war er sich sicher, dass er das Ziel des Jägers richtig erraten hatte. Leider musste er zugleich feststellen, dass der Typ schon deutlich zu nah dran war.
    Der Jäger trat aus der Gasse. Mit einem entsetzlichen Kreischen preschte ein Rudel Hunde um die Ecke zu seiner Linken. Als der Jäger den Kopf schüttelte und sich noch fester an seine Waffe klammerte, verdichtete es sich zu einem Kraftfahrzeug, das ihm bekannt vorkam.
    Das Auto rollte auf den Gehsteig. Der Jäger konnte nicht stehen bleiben und kämpfen, und so feuerte er aus dem Handgelenk auf den Wagen, drehte sich um und rannte um sein Leben.
    Es war ein guter Schuss und eine angemessene Mahnung an Tallow, dass der farbbekleckste Irre auf der Straße der fleißigste und effizienteste Killer war, von dem er je gehört hatte. Die Windschutzscheibe sprang, die rechte Ecke des Fahrersitzes explodierte, billiger Plastikbezug und gelber Schaumstoff segelten durch die Luft. Da Tallow nichts mehr sah, musste er wohl oder übel auf die Bremse treten. Er spürte ein Brennen oben an der rechten Schulter. Als er einen schnellen Blick zur Seite warf, stellte er fest, dass es eine saubere Kerbe in das Schulterpolster seines Sakkos gebrannt hatte. Unwichtig. Mit dem Ellenbogen stieß er ein Loch in die Windschutzscheibe und feuerte den Wagen an, sich wieder in Bewegung zu
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