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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine
Autoren: Warren Ellis
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setzen. Der Wagen wollte nicht und jaulte stattdessen wie ein gepeinigter Hund.
    Nach zwanzig oder dreißig Schritten begriff der Jäger, dass er keinen laufenden Motor mehr hörte. Das Auto stand still, zur Hälfte auf dem Gehsteig.
    Der Jäger wusste, dass er weiterrennen sollte. Ein dreißigsekündiger Sprint, und er wäre endgültig aus Tallows Sichtweite. Doch der Wagen rührte sich nicht. Vielleicht hatte er Tallow verwundet. Vielleicht hatte er dem Innenleben des Autos so viel Gewalt angetan, dass es gelähmt war. Er sollte fliehen. Aber Tallow sollte doch getötet werden, und er wollte ihn so sehr töten. Ein Jäger ließ seine Beute nicht einfach davonkommen. Jetzt zu gehen, wäre geschmacklos.
    Er machte kehrt und lief zügigen Schrittes zurück.
    Der verdammte Motor wollte nicht anspringen und Tallow hatte keine Ahnung, warum. Er hatte kein Händchen für Autos.
    Jim Rosato hatte immer gesagt, Tallow hätte kein Händchen für Autos. Deshalb war er lieber selbst gefahren. Jim Rosato hatte immer gesagt, Tallow wäre einfach kein Straßenbulle. Deshalb war er immer vorausgegangen, wenn es brenzlig wurde.
    » Jim Rosato ist tot « , sagte Tallow, als er den Zündschlüssel herumriss und auf die Pedale eintrat. Der Wagen sprang nach vorne wie ein Tier, entledigte sich einer Radkappe und fegte auf die Straße.
    Der Jäger feuerte. Weil er seinen Augen misstraute, wagte er keinen Kopfschuss, sondern konzentrierte sich auf das größte Ziel, das er erkennen konnte.
    Direkt über Tallows Herz schlug die Kugel in die Weste ein. Ein Gefühl, als hätte man ihm mit einem Baseballschläger die Luft aus der Lunge gehämmert. Sein Herz ließ sechs Schläge aus, an den Rändern lief die Welt schwarzrot an. Mit einem Schlenker holperte der Wagen auf den gegenüberliegenden Gehsteig und rammte einen Zeitungsautomaten beiseite, ehe Tallow ihn und sich selbst wieder unter Kontrolle hatte.
    Ein zweites Projektil kreischte über die Motorhaube und schliff heiße Blechpartikel herunter, die ins Wageninnere und mitten in Tallows Gesicht stoben. Eine Art Urschrei drang aus seiner Kehle, als er den Wagen mit mörderischen Absichten zurück auf die Straße prügelte.
    Der Jäger hatte keine Wahl. Er drehte sich um und floh.
    Tallow versuchte, die Motorhaube auf den Jäger zu richten, doch der Wichser schlängelte sich zwischen Straßenlaternen und Briefkästen und jeglichem anderen Müll hindurch, der ihn vom Wagen abschirmen konnte, und rannte dabei auch noch wie eine Gazelle. Auf gut Glück fuhr Tallow einen weiten Bogen. Bei jedem zaghaften Einatmen stach ihm ein gleißender Schmerz in die Brust.
    An der nächsten Kreuzung bog der Jäger links ab und feuerte blind hinter sich. Die Kugel fraß sich in den Kühler, prallte zwischen verschiedenen Motorenteilen hin und her und trat im Fußraum des Fahrersitzes aus. Tallow schrie, als es ein Stück seiner rechten Wade wegriss. Fluchend trat er mit dem Bein aus, um den Schmerz abzuschütteln. Sein Gesicht war klitschnass. So schnell er konnte, wischte er sich den Schweiß ab, bevor ihm die Tropfen noch in die Augen liefen. Als sich seine Hände wieder um das Steuer legten, hatte er Blut an den Fingern. Er fauchte einen üblen Fluch. Wegen des glitschigen Bluts konnte er das Lenkrad kaum noch halten. Sein Bein brannte höllisch, aus der Motorhaube quoll erster Rauch.
    Tallow musste durch den Querverkehr, um den Jäger nicht zu verlieren. Um Zentimeter entging er einer seitlichen Kollision, fuhr wieder auf den Gehsteig auf und nahm ein paar Schilder mit. Als er die nächste Straße gegen die Einbahnrichtung hinunterbretterte, konnte er nur beten, dass ihm niemand entgegenkam.
    Die Updates der Ambient Security versandeten. Schaufenster waren nur noch vereinzelt zu sehen, der Jäger überhaupt nicht mehr. Tallow musste sich auf sein Wissen über die Stadt verlassen, auf all das, was er in den letzten Tagen gelernt hatte, und auf seinen Instinkt. Das war alles, was er jetzt noch hatte.
    Der Jäger hatte es geschafft. Doch er wusste, dass er nur wenige Sekunden Vorsprung hatte. Er tastete nach dem Schlüssel, der am Boden seiner Tasche von einer genähten Schlaufe fixiert wurde. Niemand war zu sehen; auf dieser Seite des Gebäudes, der Hinterseite, war es zu dieser Nachtstunde immer ruhig, und der Jäger hatte Mittel und Wege, sich Zutritt zu verschaffen, sollte man versuchen, ihn daran zu hindern. Aber er brauchte den Schlüssel. Einen der beiden Schlüssel, die er bei sich trug– einer
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