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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine
Autoren: Warren Ellis
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letzten Blick auf Tallows Gesicht gab Carman auf. Er schrumpfte regelrecht zusammen.
    Seine Nackenhaut faltete sich wie ein eingequetschter Teppich.
    » Okay, okay. «
    Tallow fixierte ihn noch ein Weilchen, bis Carman weiter in sich zusammensackte und zur Haustür trottete, um diese mit viel schauspielerischer Hingabe zu schließen und abzusperren. » Kommen Sie « , meinte er und watete durch sein knietiefes Leid ins Hinterzimmer.
    Es war ein schmuddeliger Kasten von einem Zimmer. Eisenregale voller Ordner nahmen eine Seite ein, den Rest füllten zwei schäbige Sessel aus, ein kleiner Tisch mit zwei überquellenden Aschenbechern und ein paar Stühle, die wohl aus irgendwelchen Kneipen entwendet worden waren. Carman setzte sich in den Sessel, der offenbar ihm gebührte. Er machte sich auf der Sitzfläche breit, die Hände auf den Lehnen, die Beine leicht gespreizt, die Füße fest auf dem Boden verankert. In seiner Welt ging das Teil vermutlich als Patriarchenthron durch.
    Als Tallow den Bluntstummel in einen Aschenbecher drückte, nickte Carman. Tallow begutachtete den nächstgelegenen Stuhl– der Riss im pinken Plastikbezug grinste ihn idiotisch an, die gelbe Schaumstofffüllung streckte ihm die Zunge raus– und beschloss, mit dem zweiten Sessel vorliebzunehmen. Erst im Sitzen stellte er fest, dass Teile der Polsterung und wahrscheinlich auch ein paar Federn fehlten– er saß tiefer als Carman. Vielleicht hatte Carman die Polsterung sogar eigenhändig rausgeschnitzt.
    » Das heißt, Sie haben Bobby Tagg umgebracht? « , fragte Carman schließlich.
    » So hieß er also. «
    » Sie wussten nicht mal, wie er hieß? «
    » Wenn ich ehrlich bin, ist das alles ziemlich verschwommen. Wir haben Sie also angerufen, oder…? «
    » Gott nein. Meine anderen Scheißmieter haben mich angerufen. Quasi alle. Mann, die haben mich angerufen, bevor sie euch angerufen haben. Als würde ich was dagegen tun, dass Bobby Tagg mit seinem nackten Hintern und einer gottverdammten Schrotflinte rumwedelt! Und Sie können Ihren Arsch darauf verwetten, dass die alle wieder an der Strippe hingen, nachdem Sie den verrückten Wichser umgelegt hatten. «
    » Alle? «
    » Bis auf den letzten. «
    » Gut. Erzählen Sie mir vom Mieter aus Apartment 3A. «
    » Hab ihn nie kennengelernt. «
    Tallow warf einen bedeutungsschwangeren Blick auf den bescheuerten Minz-Schokoladen-Zigarrenstummel im Aschenbecher. Teile der Cannabisfüllung waren noch zu erkennen. » Das stellen Sie sich unter freundlicher Kooperation vor? «
    » Nein, nein. Bleiben Sie sitzen. Ich will keinen Ärger, es ist nur so: Die Miete für die 3A wird jährlich beglichen. In bar. Irgendwann im März ruft jemand an und fragt: Was kostet ein weiteres Jahr in der 3A? Und weil die Steuern bald fällig sind, nehme ich die Miete, schlage zwanzig Prozent Aufwandsentschädigung drauf, mache eine schöne runde Zahl draus und sag’s ihm. Am nächsten Morgen liegt ein Umschlag mit dem Geld auf dem Boden. Und ich vergesse die 3A für den Rest des Jahres. «
    » Und das ist Ihnen nie verdächtig vorgekommen? «
    » Mann, die Leute mieten sich aus tausend Gründen bei mir ein. Manche zahlen mir vier Riesen im Monat, damit sie dreimal die Woche in der Mittagspause ungestört ficken können. Mein alter Herr hat immer gesagt: Wer zu viele Fragen stellt, macht sich nur das Geschäft kaputt. «
    » Was für Geschäfte hat Ihr Dad denn betrieben? «
    » Dasselbe wie ich. Ich hab’s geerbt. Das Haus in der Pearl Street ist seit den Fünfzigern in der Familie. Den Typen in der 3A hab ich auch geerbt. Er hat den Deal schon mit meinem alten Herrn gemacht, und das ist dann auch auf mich übergegangen. «
    » Ihr Dad hat ihn also mal kennengelernt? «
    » Schätze ja. «
    Tallow versank noch tiefer im Sessel. » Jetzt kommt die Stelle, wo Sie mir sagen, dass Ihr lieber alter Herr schon vor einer Weile seine letzte Miete eingetrieben hat. «
    » Jepp. Ist in Rente gegangen, nach Disney World gefahren und im It’s a Small World -Karussell umgekommen. « Mit einem freudlosen Grinsen blickte Carman sich in seinem Schuhkartonreich um. » Nein, es gab kein Schmerzensgeld. Da waren Nutten im Spiel. Und Sprengstoff. Egal. Mein alter Herr ist schon lange tot. «
    Tallow zog Notizbuch und Kugelschreiber aus der Tasche. Er kam sich vor, als würde er versuchen, Nebelschwaden festzuschrauben, doch sein Berufsethos zwang ihn, selbst den mageren Ertrag dieser Befragung zu protokollieren. » Okay, Mr. Carman. Sie haben
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