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Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)

Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)

Titel: Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
Autoren: Pia Helfferich
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schreiben. Wie nehmen sie auf ihre spezifische Weise die Welt wahr? Wie betrachtet ein Stuhl Menschen? Wie spricht eine 40W-Lampe? Gibt es charakterliche Unterschiede zwischen einem holzwurmbesiedelten Tisch und Küchentisch Ingo, frisch von Ikea?
    Als Autor kann man es entweder stillschweigend zur Normalität erklären, dass Gegenstände, Tiere oder Pflanzen agieren, oder man macht sie zu verzauberten Wesen, die eine Prüfung absolvieren müssen, um wieder eine menschliche Gestalt zu erhalten.
     

Fabeln schreiben
     
    Unter einer Fabel versteht man Geschichten, in denen vor allem Tiere, aber auch Pflanzen oder Gegenstände die handelnden Figuren sind. Jeder Tierart, jedem Ding wird eine spezielle Charaktereigenschaft zugeordnet und die Geschichte enthält eine Lehre oder Moral.
    Fabeln sind eine uralte Textform, schon Mitte des dritten Jahrtausends vor Christus entstanden erste Lehrgeschichten. Eine Blütezeit erlebten sie im Mittelalter, im 18. Jahrhundert war es dann Gotthold Ephraim Lessing, der die Form der Fabel vollendete. Sie wurden in Schulen für die Erziehung der Kinder eingesetzt. Lange Zeit geriet sie dann aus der Mode, wurde im 20. Jahrhundert jedoch von Franz Kafka, Bertolt Brecht, James Thurber und anderen wieder aufgegriffen.
     
    Beispiel einer Fabel von Äsop
     
    Eine Fabel ist ein möglichst kurzer, knapper Text und es ist nicht ganz einfach, auf engstem Raum eine Geschichte zu entfalten. Schauen Sie sich zunächst dieses Beispiel von Äsop an, der um 600 vor Christus lebte:
     
    Das Pferd und der Esel
    Ein Bauer trieb ein Pferd und einen Esel, beide gleichmäßig beladen, zu Markte. Als sie schon eine gute Strecke vorwärtsgegangen waren, fühlte der Esel seine Kräfte abnehmen. "Ach", bat er das Pferd kläglich: "Du bist viel größer und stärker als ich, und doch hast du nicht schwerer zu tragen, nimm mir einen Teil meiner Last ab, sonst erliege ich."
    Hartherzig schlug ihm das Pferd seine Bitte ab: "Ich habe selbst meinen Teil, und daran genug zu tragen."
    Keuchend schleppte sich der Esel weiter, bis er endlich erschöpft zusammenstürzte. Vergeblich hieb der Herr auf ihn ein, er war tot. Es blieb nun nichts weiter übrig, als die ganze Last des Esels dem Pferde aufzupacken, und um doch etwas von dem Esel zu retten, zog ihm der Besitzer das Fell ab und legte auch dieses noch dem Pferde oben auf.
    Zu spät bereute dieses seine Hartherzigkeit. "Mit leichter Mühe", so klagte es, "hätte ich dem Esel einen kleinen Teil seiner Last abnehmen und ihn vom Tode retten können. Jetzt muss ich seine ganze Last und dazu noch seine Haut tragen."
    Hilf zeitig, wo du helfen kannst. Hilf dem Nachbarn löschen, ehe das Feuer auch dein Dach ergreift.
     
    Eine typische Eigenschaft pro Figur
     
    Wie man an dieser Fabel gut sehen kann, verfügen die Figuren über nur eine Charaktereigenschaft, hier ist das Pferd hartherzig. Es wäre eigentlich nicht nötig, diese Eigenschaft ausdrücklich zu nennen, in moderneren Texten beschränkt man sich darauf, sie zu zeigen. Jede Tierart wird mit einer Charaktereigenschaft verbunden, die man als typisch für dieses Fabeltier betrachtet. Traditionellerweise gilt zum Beispiel ein Hahn in der Fabel als eitel, ein Storch als stolz und der Bär als gutmütig.
     
    Aussage in Handlung übersetzen
     
    Möchte man eine Fabel schreiben, muss man sich zunächst darüber im Klaren sein, welches Anliegen man ausdrücken möchte. Wie kann man dieses in eine Handlung übersetzen? Welche Figuren verkörpern es am besten? Äsop möchte die Lehre „Hilf rechtzeitig, sonst leidest du am Ende selbst“ ausdrücken. Zu diesem Zweck schafft er eine Situation, die zeigt, was passiert, wenn man diese Hilfe verweigert.
     
    Aufbau der Fabel
     
    In einer Fabel sind nur die ersten ein oder zwei Sätze dafür da, in die Situation einzuführen. Nur das Notwendigste erfährt der Leser, auf alles Dekorative wird verzichtet.
    Nach dieser kurzen Einleitung wird das Problem dargestellt, dann wird die Situation, wieder so knapp wie möglich, aufgelöst. In einem weiteren Schritt wird die Reaktion der Hauptfigur gezeigt, hier die Klage des Pferdes, dass es den Esel doch hätte retten können. Klassischerweise fasst man unter der Fabel die Moral der Geschichte noch einmal in einem Satz zusammen, was man Epimythion nennt. In manchen Fabeln steht dieser Satz auch vor der Fabel, das heißt Promythion. Diese Lehrsätze fallen bei zeitgenössischen Fabeln allerdings weg.
     

Kürzestgeschichten schreiben
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