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0040 - Einer von uns?

0040 - Einer von uns?

Titel: 0040 - Einer von uns?
Autoren: Delfried Kaufmann
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Ein Haus in der Bronx, gebaut 1954, vierzehn Etagen. Auf jeder Etage vier Appartementwohnungen von fast zweihundert Quadratyards, eingerichtet mit zwei Badezimmern, einem großen Balkon, elektrischer Küche, Müllschlucker und allen möglichen Schikanen.
    In diesem Haus wohnten nur Leute, die einiges Geld hatten. Viele Wohnungen gehörten Männern, die rings um New York Landhäuser besaßen, und die ihre Wohnungen in jenem Haus in der Bronx nur hielten für den Fall, dass es ihnen zu lästig war, an den Nachmittagen stundenlang im Verkehrsgewühl festzusitzen, selbst wenn ein Chauffeur am Steuer saß, aber diese Männer interessieren hier nicht.
    Der vierzehnte Stock des Gebäudes enthielt aus architektonischen Gründen nur zwei Wohnungen. Sie waren die teuersten.
    Eine dieser Wohnungen hatte Rocco Rewers gemietet, dessen italienische Mutter auf den Vornamen aus ihrer Heimat bestanden hatte, obwohl sein Vater ein eingesessener Amerikaner war. Rocco war ein Mann von großer Fantasie und mit sehr ehrgeizigen Plänen. Obwohl die vier Spielhöllen, die er unterhielt, einen beachtlichen Gewinn abwarfen, wollte er ein großer Boss werden.
    »Al Capone hat bis heute keinen würdigen Nachfolger gefunden«, pflegte er zu sagen. »Ich werde dieser Nachfolger sein.«
    Da ein Gangsterboss nicht ohne Leibgarde vorstellbar ist, so hatte auch Rocco sich eine Gang herangesucht, die an die fünfundzwanzig Mann stark war. Allerdings gehörten von diesen fünfundzwanzig nur sechs zu seinen engeren Vertrauten, und diese sechs Burschen trieben sich in diesem Augenblick, einem glühend heißen Manhattan-Sommermorgen, in Roccos Wohnzimmer herum und vertilgten eisgekühlten Whisky.
    Serge Bosrew stand am Fenster und blickte über die Häuser bis dorthin, wo eine noch höhere Mauerfront ihm den Blick versperrte.
    »Man sollte mal versuchen, eine Bank durch das Dach zu knacken«, sagte er träumerisch. »Durch den Keller haben es schon viele versucht, aber es hat noch nie geklappt. Warum nicht mal durch das Dach?«
    »Verschluck deinen eigenen Unsinn und ersticke daran«, knurrte Shouers, ein rothaariger Riese, der in einem Sessel saß und die Beine auf den Tisch gelegt hatte. »Durch das Dach? Und den Fußboden der zwölften, elften, zehnten, neunten Etage, und so weiter. Auf solchen Quatsch kann nur ein Armenier kommen!«
    Bosrew fuhr herum und blitzte Shouers aus schwarzen Augen an. Er war in den Staaten geboren, und er hasste es, ein Armenier genannt zu werden.
    Shouers beachtete den Blick nicht. Er hatte als junger Bursche noch die letzten Prohibitionskämpfe mitgemacht. Niemand wusste, wie viel Leute durch seine Hand gestorben waren, aber es stand fest, dass er kein Gewissen besaß.
    Von einer Ecke her beobachtete Wels Trevor spöttisch, wie Bosrew seine Wut unterdrückte.
    »Es wird Zeit, dass Rocco Arbeit für uns findet«, sagte er. »Das Nichtstun und die Hitze zerreiben eure Nerven.« Trevor war schmal, dünn und trug eine Goldrandbrille auf seiner spitzen Nase. Er pflegte seine Hände und spielte gern mit den eigenen Fingern, um sie gelenkig zu halten, denn er galt als sehr schneller Schütze. Außerdem war er schlau und heimtückisch.
    »Roccos große Töne hängen mir bald zum Hals raus«, wütete Tony Deliano, ein junger Kerl mit lockigen, schwarzen, in die Stirn hängenden Haaren und einem Stiernacken. »Immer entwickelt er Pläne über Pläne und verspricht uns reich zu machen, aber in Wirklichkeit bleibt er auf dem bisschen Spielbetrieb hocken. Wenn er nicht bald etwas unternimmt, wechsele ich den Job und gehe zu den East-Side-Burschen. Sie haben mehr Mumm in den Knochen.«
    »Rocco wird dich ohrfeigen, wenn er das hört«, antwortete Wels Trevor. »Und ich werde gern Zusehen. Kinder wie du brauchen hin und wieder eins hinter die Löffel.«
    »Versuch’s mal«, fauchte Deliano, dessen Temperament noch hitziger war als das des Armeniers.
    »Gebt endlich Ruhe!«, knurrte vom Tisch her Ans Frewman. Er hatte einen Knobelbecher in der Faust und würfelte mit seinem Bruder Brand um Zehn-Cent-Stücke. Vielleicht war Shouers gefürchteter als Ans Frewman, aber das galt nur für die Einzelperson. Wer immer mit einem von ihnen aneinandergeriet, bekam es mit beiden zu tun, und zu zweit waren sie gefährlicher als jeder andere.
    Sie waren so gut aufeinander eingespielt, dass sie kaum Worte zur Verständigung brauchten. Außerdem neigte Brand, der Jüngere und Dümmere dazu, leicht und gern Streit zu suchen, und nur Ans konnte ihn
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