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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Autoren: Fannie Flagg
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werden wir umziehen. Jetzt kann der alte Kauz Tag und Nacht angeln, wenn er will. Ich weiß, ich verwöhne ihn sträflich, aber trotz all seiner Macken ist er doch ein sehr netter Knabe. Ich weiß nicht, was ich zu meinem Abschied sagen soll, also sage ich nur ganz wenig. Wir beide wuchsen direkt in Whistle Stop auf, erlebten wunderbare Zeiten und hatten liebe Freunde. Aber die meisten sind nun woandershin gegangen. Die Stadt ist nicht mehr so wie früher, mit all den breiten neuen Straßen. Man sieht kaum noch, wo Birmingham aufhört und wo Whistle Stop anfängt.
    Jetzt, im Rückblick, kommt es mir so vor, als würde das Herz der Stadt nicht mehr schlagen, seit das Café geschlossen wurde. Komisch, wie viele Menschen so ein tolles kleines Lokal zusammenbringen kann …
    Wenigstens haben wir alle unsere Erinnerungen, und mein alter Schatz ist immer noch bei mir.
    Dot Weems
    PS: Wenn Sie jemals nach Fairhope, Alabama, kommen, besuchen Sie uns. Ich bin die Frau, die auf der Hinterveranda sitzt und die ganzen Fische ausnimmt.

D ER F RIEDHOF VON W HISTLE S TOP
    W HISTLE S TOP , A LABAMA
    19. April 1988
    Während des zweiten Osterfestes nach Mrs. Threadgoodes Tod beschloss Evelyn, auf den Friedhof zu gehen. Sie kaufte schöne weiße Lilien und stieg in ihren neuen rosa Cadillac. An ihrer Jacke steckte eine Brosche in Form einer Hummel, aus vierzehnkarätigem Gold, mit Smaragdaugen – eine weitere Auszeichnung.
    An diesem Morgen hatte sie mit ihrer Mary-Kay-Gruppe zu Mittag gegessen. Jetzt war später Nachmittag, und als sie den Friedhof erreichte, war er fast menschenleer. Spektakuläre Osterblumen in allen Farben schmückten die Gräber.
    Evelyn musste eine Weile umherfahren, bis sie die Familiengräber der Threadgoodes fand. Im ersten lag Ruth Jamison. Sie ging die Reihe entlang, und blieb vor einem großen Doppelgrab mit einem hoch aufragenden steinernen Engel stehen und las die Inschriften darunter:
    WILLIAMS JAMES THREADGOODE
ALICE LEE CLOUD THREADGOODE
1850–1929
1856–1932
UNSERE GELIEBTEN ELTERN – NICHT VERLOREN, ABER DAHIN GEGANGEN, WO WIR UNS ALLE WIEDERSEHEN WERDEN
    Neben ihnen ruhte:
    JAMES LEE (BUDDY) THREADGOODE
1898–1919
EIN JUNGER MANN, DER UNS VIEL ZU FRÜH VERLASSEN HAT,
ABER IN UNSEREN HERZEN WEITERLEBT
    Nun entdeckte Evelyn Edwards, Cleos und Mildreds Gräber. Aber wo lag ihre alte Freundin? Sie geriet in Panik.
    Die Grabinschrift am Ende der Reihe lautete:
    ALBERT THREADGOODE
1930–1978
UNSER ENGEL AUF DIESER ERDE ENDLICH GEBORGEN IN JESU ARMEN
    Und neben Alberts Grab fand sie, was sie suchte.
    MRS. VIRGINIA (NINNY) THREADGOODE
1899–1986
HEIMGEGANGEN
    Erinnerungen stürmten auf Evelyn ein. Wie schmerzlich sie Mrs. Threadgoode vermisste. Tränen rannen über ihre Wangen, als sie die Blumen aufs Grab legte. Dann jätete sie ein wenig Unkraut, das rings um den Grabstein wuchs, und tröstete sich mit dem Gedanken: Wenn es einen Himmel gibt, dann ist Mrs. Threadgoode ganz sicher dort … Konnte es auf Erden je wieder eine reinere, unberührtere Seele geben? Sie bezweifelte es.
    Komisch, dachte sie. Weil ich sie kannte, fürchte ich mich nicht mehr so sehr vor dem Alter und vor dem Tod wie früher … Und das Lebensende schien gar nicht mehr in weiter Ferne zu liegen, so als stünde Mrs. Threadgoode gleich hinter der nächsten Tür.
    Leise begann sie mit ihrer Freundin zu sprechen. »Tut mir leid, dass ich nicht früher hierhergekommen bin, Mrs. Threadgoode. Sie ahnen nicht, wie oft ich an Sie dachte und mir wünschte, ich könnte mich wieder mit Ihnen unterhalten. Und ich war so unglücklich, weil ich Sie vor Ihrem Tod nicht mehr sah. Keine Sekunde lang hatte ich geglaubt, ich würde Ihnen nie wiederbegegnen. Und ich fand keine Gelegenheit, Ihnen zu danken. Hätten Sie nicht Woche für Woche mit mir gesprochen, ich weiß nicht, was ich getan hätte …« Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie fort: »Den rosa Cadillac habe ich für uns gekauft, Mrs. Threadgoode. Ich dachte, er würde mich glücklich machen. Aber er bedeutet mir kaum etwas, weil Sie nicht mit mir darin fahren können. Oft stelle ich mir vor, ich würde Sie von Rose Terrace abholen und einen Sonntagsausflug mit Ihnen unternehmen. Oder wir würden drüben im Ollie’s Barbecue essen.«
    Sie trat hinter das Grabmal und riss Unkraut aus. »Man hat mir vorgeschlagen, in der Universitätsklinik an einer Gruppentherapie teilzunehmen, und vielleicht tu’ ich’s.« Lachend fügte sie hinzu: »Ich habe zu Ed gesagt, ich könnte ja auch eine
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