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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Autoren: Fannie Flagg
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Mrs. Hartman zeigte auf ein kleines Haus, auf dessen Vorderveranda abgeblätterte grüne Blechstühle standen, und erklärte, hier hätten Big George und Onzell gewohnt. »Später zogen sie zu ihrem Sohn Jasper nach Birmingham.«
    Sie kamen zu Ocies Lebensmittelladen, der an ein baufälliges, einst hellblau gestrichenes Holzhaus grenzte. Die Fassade des Geschäfts war mit verblichenen Werbeplakaten aus den dreißiger Jahren beklebt, die einen zum Beispiel aufforderten, Buffalo Rock Ginger Ale zu trinken – »in einer Million Minuten oder länger ausgereift«.
    Plötzlich kehrte eine Erinnerung aus Evelyns Kindheit zurück. »Mrs. Hartman, glauben Sie, ich bekomme da drin ein Erdbeer-Soda?«
    »Darauf möchte ich wetten.«
    »Können wir reingehen?«
    »Klar, viele Weiße kaufen hier ein.«
    Evelyn parkte den Wagen, und sie betraten den Laden. Mrs. Hartman wandte sich zu dem alten Mann im weißen Hemd mit Hosenträgern und schrie ihm ins Ohr: »Ocie, das ist Mrs. Couch, eine Freundin von Ninny Threadgoode.«
    Sobald er den Namen Mrs. Threadgoodes hörte, leuchteten seine Augen auf. Er lief zu Evelyn und umarmte sie. Das brachte sie etwas aus der Fassung, denn sie war noch nie in ihrem Leben von einem Schwarzen in die Arme genommen worden, er redete wie ein Wasserfall, doch sie verstand kein Wort, weil er keine Zähne mehr hatte.
    Mrs. Hartman schrie ihn wieder an: »Nein, mein Lieber, das ist nicht ihre Tochter, sondern Mrs. Couch aus Birmingham, ihre Freundin.«
    Ocie grinste Evelyn immer noch an, und Mrs. Hartman kramte im Eisschrank, dann holte sie ein Erdbeer-Soda hervor. »Da!«
    Als Evelyn bezahlen wollte, sprach Ocie lebhaft auf sie ein.
    »Er sagt, Sie sollen Ihr Geld einstecken«, erklärte Mrs. Hartman. »Zu diesem Drink lädt er Sie ein.«
    Verlegen bedankte sich Evelyn bei Ocie, und er begleitete sie zum Auto hinaus, wobei er unablässig grinste und redete.
    »Bye-bye!«, schrie Mrs. Hartman und sagte zu Evelyn: »Er ist so schwerhörig wie ein Türpfosten.«
    »Das dachte ich mir. Ich war ganz verdutzt, weil er mich so liebevoll umarmt hat.«
    Sie kehrten über die Gleise zurück, und Mrs. Hartman schlug vor: »Wenn Sie bei der nächsten Straße abbiegen, zeige ich Ihnen noch das alte Threadgoode-Haus.«
    Evelyn entdeckte es sofort, nachdem sie den Wagen um die Ecke gelenkt hatte. Die Fenster waren zerbrochen oder vernagelt, die Bodenbretter morsch und eingesunken, also konnten sie nicht ins Haus gehen. Es sah aus, als würde es jeden Moment einstürzen. Sie wanderten langsam zur Rückfront.
    »Welch eine Schande, alles so verfallen zu lassen!«, meinte Evelyn. »Sicher war das Haus früher sehr hübsch.«
    Mrs. Hartman stimmte zu. »Das schönste von Whistle Stop. Aber nun ist kein Threadgoode mehr am Leben, und man wird es wohl bald abreißen.« Im Hinterhof bot sich ihnen ein überraschender Anblick. Am alten Spalier, das an der Mauer lehnte, wucherten unzählige kleine rosa Rosen und blühten, als wüssten sie nicht, dass die Hausbewohner längst gestorben waren.
    Evelyn spähte durch eine zerbrochene Fensterscheibe und sah einen weißen Emailletisch mit vielen Sprüngen. Wie viele Biskuits mochten da im Lauf der Jahre aufgeschnitten worden sein …
    Sie brachte Mrs. Hartman nach Hause und dankte ihr für die Begleitung.
    »Oh, es war mir ein Vergnügen. Hier draußen bekommen wir kaum noch Besuch, seit die Züge nicht mehr verkehren. Tut mir leid, dass wir uns unter so traurigen Umständen kennengelernt haben, aber es hat mich trotzdem gefreut. Lassen Sie sich wieder mal sehen – wann immer Sie möchten.«
    Obwohl es schon spät war, beschloss Evelyn, noch einmal an dem alten Haus vorbeizufahren. Es wurde schon dunkel. Als sie um die Straßenecke bog, fielen die Autoscheinwerfer auf die Fenster, und es sah so aus, als würden Leute in den Räumen umherwandern. Und plötzlich hätte sie schwören können, Essie Rue im Salon Klavier spielen zu hören. »Buffalo gals, won’t you come out tonight, come put tonight …«
    Sie hielt am Straßenrand, saß da, schluchzte herzzerreißend und fragte sich, warum die Menschen alt werden und sterben mussten.

T HE W EEMS W EEKLY
    (W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
    25. Juni 1969
    E IN SCHWERER A BSCHIED
    Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass das die letzte Ausgabe ist. Seit ich mit meiner anderen Hälfte im Süden von Alabama Urlaub gemacht habe, bildet er sich ein, er müsste dort leben. Wir fanden ein Haus direkt an der Bucht, und in zwei Wochen
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