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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Autoren: Fannie Flagg
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Buttermilch oder Buttermilch mit Maisbrot am Nachmittag. Das zerdrückte ich alles in einem Glas und aß es mit dem Löffel. Aber in der Öffentlichkeit kann man nicht so essen wie zu Hause, nicht wahr? Und ich vermisse das Holz. Mein Haus ist nur ein kleiner alter Eisenbahnschuppen mit Wohn- und Schlafzimmer und einer Küche. Und mit Kiefernholzwänden. Genauso, wie ich’s mag. Getünchte Mauern hasse ich. Die finde ich – ach, ich weiß nicht, irgendwie kommen sie mir kalt und starr vor.
    Ich habe ein Bild von daheim mitgebracht. Da ist ein Mädchen auf einer Schaukel zu sehen und im Hintergrund ein Schloss und hübsche blaue Wölkchen. Das hängte ich hier in mein Zimmer. Aber die Schwester meinte, es sei unschicklich, weil das Mädchen von der Taille aufwärts nackt ist. Seit fünfzig Jahren habe ich dieses Bild, und nie fiel mir auf, dass das Mädchen nackt ist. Wenn Sie mich fragen – ich glaube, die alten Männer hier sehen viel zu schlecht, um den nackten Busen zu bemerken. Aber das ist nun mal ein Methodistenheim, und jetzt liegt das Mädchen im Schrank bei meinen Gallensteinen.
    Ich werde froh sein, wenn ich wieder daheim bin. Da sieht’s ganz schlimm aus, weil ich eine Zeit lang nicht fegen konnte. Ich ging raus und warf den Besen nach ein paar Blauhähern, die sich zankten und einen grässlichen Lärm machten. Und da blieb er im Baum hängen. Wenn ich wieder zu Hause bin, muss ihn irgendjemand runterholen.
    Jedenfalls, als Mrs. Otis’ Sohn uns zum Weihnachtstee in der Kirche abholte, fuhr er mit uns zu den Bahngleisen, wo früher das Café war, und dann die First Street rauf, direkt am alten Threadgoode-Haus vorbei. Natürlich sind jetzt die meisten Fenster vernagelt, und die Mauern zerbröckeln. Aber als die Scheinwerfer auf das Haus fielen, nur für ein paar Sekunden – da sah es aus wie an so vielen Abenden vor siebzig Jahren, voller Leben und Lärm und Gelächter. Und beinahe glaubte ich, Essie Rue würde im Salon aufs Klavier einhämmern – ›Buffalo Gal, Won’t You Come Out Tonight‹ oder ›The Big Rock Candy Mountain‹.
    Und ich bildete mir ein, Idgie Threadgoode zu sehen, wie sie im Zedrachbaum saß und jedes Mal, wenn Essie Rue zu singen versuchte, wie ein Hund jaulte. Sie behauptete immer, Essie Rue würde so gut singen, wie eine Kuh tanzen könne. Während ich an dem Haus vorbeifuhr, bekam ich schreckliches Heimweh und musste an die Vergangenheit denken …
    Ich erinnere mich so deutlich an alles, als wäre es erst gestern geschehen. Aber es gibt wohl kaum irgendwas, das mit der Threadgoode-Familie zusammenhängt und das ich nicht mehr weiß. Großer Gott, immerhin hab’ ich doch seit meiner Geburt im Nachbarhaus gewohnt und einen der Jungs geheiratet. Die hatten neun Kinder, und drei von den Mädchen, Essie Rue und die Zwillinge, waren ungefähr in meinem Alter. Also war ich ständig drüben, spielte mit ihnen, und es gab auch Partys, wo ich dort übernachtete. Meine Mutter starb an der Schwindsucht, als ich vier war. Und nachdem mein Daddy oben in Nashville gestorben war, blieb ich für immer bei den Threadgoodes. Man könnte sagen, die Übernachtungsparty sei gar nicht mehr zu Ende gegangen …«

T HE W EEMS W EEKLY
    (W HISTLE S TOP , A LABAMAS W OCHENBLATT )
    8. Oktober 1929
    M ETEORIT TRIFFT W HISTLE S TOP
    Mrs. Biddie Louise Otis, die in der First Street Nummer 401 wohnt, berichtete, am Donnerstagabend sei ein zwei Pfund schwerer Meteorit durch ihr Dach gekracht und habe sie nur um Haaresbreite verfehlt. Sie saß gerade auf der Couch, weil der Hund auf dem Sessel lag. Soeben hatte sie »Fleischmans Backstunde« eingeschaltet, und da passierte es. Sie sagte, das Loch in ihrem Dach sei sehr groß, über einen Meter im Durchmesser, und der Meteorit habe das Radio entzweigeschlagen.
    Bertha und Harold Vick feierten ihren Hochzeitstag auf dem vorderen Rasen, damit es alle Nachbarn sahen. Und ich gratulierte Mr. Earl Adcock sen., einem leitenden Angestellten bei L & N Railroad, der soeben zum »großen erhabenen Herrscher des wohltätigen und fürsorglichen Ordens der Elche Nr. 37« ernannt wurde, bei dem meine andere Hälfte Mitglied ist.
    Übrigens, Idgie sagte, falls Sie was gegrillt haben möchten, schicken Sie’s einfach ins Café, und Big George wird das für Sie machen. Hühner für zehn Cent und Schweine je nach Größe.
    Dot Weems

P FLEGEHEIM R OSE T ERRACE
    O LD M ONTGOMERY H IGHWAY , B IRMINGHAM , A LABAMA
    15. Dezember 1985
    Eine Stunde später redete Mrs.
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