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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Autoren: Fannie Flagg
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ziemlich nervös, was?«
    »Tut mir leid, dass ich so schrecklich gekleckert habe, Ma’am, aber um die Wahrheit zu gestehen … Nun ja, am besten gehe ich jetzt wieder.«
    Sie griff in ihre Schürzentasche, zog eine kleine Flasche Old Joe Whiskey hervor und gab sie ihm. Das wusste er sehr zu schätzen. »Gott segne Sie, Ma’am, Sie sind eine Heilige.«
    Dann setzte sie sich auf einen Baumstamm beim Schuppen, und während er seine Nerven beruhigte, fragte Idgie: »Sehen Sie das große leere Grundstück da drüben?«
    Er schaute hinüber. »Ja, Ma’am.«
    »Da war vor Jahren ein wunderschöner kleiner See. Im Sommer schwammen wir da und angelten, und man konnte auch Boot fahren.« Traurig schüttelte sie den Kopf. »Das alles vermisse ich sehr.«
    Smokey betrachtete die Wiese. »Ist der See ausgetrocknet?«
    Sie zündete eine Zigarette für ihn an. »Noch schlimmer. An einem Novembertag kam eine große Entenschar, und die Vögel landeten mitten auf dem See. Während sie da saßen, passierte was ganz Komisches. Die Temperatur sank so schnell, dass der ganze See gefror. In wenigen Sekunden war er fest wie ein riesiger Stein.«
    »Meinen Sie das ernst?«, fragte Smokey erstaunt.
    »Klar.«
    »Da sind die Enten sicher getötet worden.«
    »Nein, verdammt noch mal! Die flogen einfach davon und nahmen den See mit. Jetzt ist er irgendwo in Georgia …«
    Er starrte sie an, und als er merkte, dass sie ihn zum Narren hielt, bildeten sich lauter winzige Fältchen um seine blauen Augen. Sein Gelächter schüttelte ihn am ganzen Körper, er begann zu husten, und sie musste ihn auf den Rücken klopfen.
    Als sie ins Café zurückgingen, wischte er sich immer noch Lachtränen aus den Augen. Die Mahlzeit erwartete ihn, und er setzte sich wieder an den Tisch. Jemand hatte das Essen im Backofen warmgehalten.
    Oh, wohin wandert mein Junge heut nacht,
Der ganze Stolz seiner Mutter?
Oh, er zählt seine Chancen,
Ein Bett am Rücken,
Oder er ist auf großer Fahrt …
Oh, wo ist mein Junge heut nacht?

T HE W EEMS W EEKLY
    (W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
    22. Oktober 1929
    M ETEORIT WIRD IM C AFÉ AUSGESTELLT
    Heute gab Mrs. Biddie Louise Otis bekannt, sie würde den Meteoriten, der letzte Woche durch ihr Dach gefallen war, ins Café bringen, damit die Leute aufhören, ihr die Tür einzulaufen. Sie habe nämlich mit ihrem Umzug alle Hände voll zu tun und keine Zeit für so was. Außerdem sei das Ding ohnehin nur ein großer grauer Stein, aber wenn man ihn unbedingt sehen wolle, könne man’s ja tun.
    Idgie sagt, sie würde den Meteoriten auf die Theke legen, und jeder, der ihn anschauen will, solle nur kommen.
    Tut mir leid, dass ich diese Woche keine anderen Neuigkeiten habe, aber meine andere Hälfte, Wilbur, leidet an der Grippe, und ich muss ihn die ganze Woche von vorn und hinten bedienen.
    Gibt es was Schlimmeres als einen kranken Mann?
    Bedauerlicherweise müssen wir noch berichten, dass unsere geliebte achtundneunzigjährige Bessie Vick, Berthas Schwiegermutter, gestern gestorben ist, vermutlich an Altersschwäche.
    Dot Weems

P FLEGEHEIM R OSE T ERRACE
    O LD M ONTGOMERY H IGHWAY , B IRMINGHAM , A LABAMA
    22. Dezember 1985
    Als Evelyn am nächsten Sonntag in den Besuchersalon kam, saß Mrs. Threadgoode im selben Sessel, trug dasselbe Kleid und wartete auf sie.
    Quietschfidel erzählte sie wieder vom Threadgoode-Haus, als wären sie nie getrennt gewesen. Und Evelyn blieb nichts anderes übrig, als ihren Mandelschokoladenriegel auszuwickeln und sich in Geduld zu fassen.
    »Im vorderen Garten wuchs ein großer alter Zedrachbaum. Ich erinnere mich, wie wir das ganze Jahr die kleinen Beeren pflückten, und zu Weihnachten fädelten wir sie auf Schnüre, damit behängten wir den ganzen Baum. Momma warnte uns davor, die Beeren in die Nase zu stecken. Und genau das war natürlich das erste, was Idgie tat, sobald sie gehen gelernt hatte. Sie lief in den Garten und steckte sich die Beeren in die Nase und in die Ohren – so tief rein, dass Dr. Hadley gerufen werden musste. ›Mrs. Threadgoode‹, sagte er, anscheinend haben Sie da einen kleinen Schlingel am Hals.‹
    Buddy war ganz begeistert von seiner Schwester und ermunterte sie, immer neuen Unsinn zu treiben. So ist das nun mal in großen Familien. Jeder hat seinen Liebling. In Wirklichkeit hieß sie Imogen, aber Buddy fing an, sie Idgie zu nennen. Bei ihrer Geburt war er acht, und später schleppte er sie in der ganzen Stadt herum, wie eine Puppe. Als sie alt genug
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