Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Autoren: Fannie Flagg
Vom Netzwerk:
unbedingt haben, und zwar Ihren Krankenschein. Ohne den dürfen Sie sich nicht erwischen lassen. Aber bei uns wohnen auch einige reiche Frauen. Vor ein paar Wochen zog Mrs. Vesta Adcock hier ein, die kleine Frau mit der Vogelbrust, die ich von Whistle Stop her kenne. Die trug ihren Fuchsmantel und ihre Brillantringe. Sie gehört zu den Reichen. Aber die Reichen sehen nicht glücklich aus. Und ich will Ihnen noch was sagen – ihre Kinder kommen keineswegs öfter zu Besuch als die anderen. Norris und Francis, Mrs. Otis’ Sohn und die Schwiegertochter, sind jede Woche da, bei Regen und Sonnenschein. Deshalb sitze ich sonntags hier im Salon, damit sie alle allein miteinander sind. Aber es bricht uns das Herz, wenn wir merken, wie ein paar andere Leute auf Besuch warten. Die gehen zum Friseur, machen sich hübsch, und niemand lässt sich blicken. Das finde ich so traurig, aber was soll man machen? Wenn man Kinder hat, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass sie einen auch besuchen – wirklich nicht.«

T HE W EEMS W EEKLY
    (W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
    12. Juni 1930
    W HISTLE T OWN PLATZT AUS ALLEN N ÄHTEN
    Opal Threadgoode, Julians Frau, hat das Haus zwei Türen weiter von meinem Postamt gemietet und eröffnet einen Friseursalon. Bis jetzt hat sie ihre Kundschaft in der Küche bearbeitet. Aber Julian sagte, damit müsse sie aufhören, weil so viele Frauen den ganzen Tag zur Hintertür gekommen wären, und deshalb hätten die Hennen keine Eier mehr gelegt.
    Wie Opal versicherte, werden die Preise gleich bleiben. Waschen und Legen – fünfzig Cent; eine Dauerwelle – ein Dollar fünfzig.
    Was mich betrifft, ich freue mich über diese neue Errungenschaft in unserer Geschäftsstraße. Überlegen Sie doch mal – jetzt kann man einen Brief aufgeben, essen gehen und sich das Haar richten lassen, alles im selben Häuserblock. Wir brauchen nur noch ein Kino, dann müsste niemand mehr nach Birmingham fahren.
    Mr. und Mrs. Roy Glass feierten in ihrem Hintergarten die alljährliche Familienzusammenkunft. Aus dem ganzen Staat kamen Glasses in unsere Stadt, und Wilma erzählte, der Kuchen habe viel besser geschmeckt, als er aussah.
    Übrigens, meine andere Hälfte stach sich neulich den Angelhaken in den eigenen Finger. Also hatte ich ihn wieder mal zu Hause, wo er stöhnte und jammerte.
    Dot Weems

W HISTLE S TOP C AFÉ
    W HISTLE S TOP , A LABAMA
    18. November 1931
    Inzwischen stand der Name des Lokals auf vielen hundert Güterwagen zwischen Sheattle und Florida. Splinter Belly Jones erzählte sogar, er habe den Namen in Kanada gesehen.
    In diesem Jahr war es besonders schlimm. Nachts brannten in den Wäldern rings um Whistle Stop die Lagerfeuer der Landstreicher, und da gab’s keinen einzigen Mann, den Idgie und Ruth noch nicht gefüttert hatten.
    Cleo, Idgies Bruder, machte sich deshalb Sorgen. Einmal kam er ins Café, um seine Frau Ninny und seinen kleinen Sohn Albert abzuholen, trank eine Tasse Kaffee und aß Erdnüsse. »Idgie, ich sage dir, du musst nicht jeden verköstigen, der in deiner Tür auftaucht. Du führst hier ein Geschäft. Julian erzählte mir, neulich sei er mal da gewesen und habe ein paar von diesen Typen bei dir essen sehen. Er glaubt, du würdest sogar Ruth und das Baby hungern lassen, nur um diese Kerle vollzustopfen.«
    Idgie winkte verächtlich ab. »Was weiß Julian schon? Der würde selber verhungern, wenn Opal nicht diesen Friseursalon hätte. Warum hörst du überhaupt auf ihn? Der hat nicht mehr Verstand als ein Ziegenbock.«
    In diesem Punkt konnte Cleo ihr nicht widersprechen. »Es geht nicht nur um Julian, Schätzchen. Ich sorge mich doch auch um dich.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich möchte dir nur raten, ein bisschen klüger zu sein und nicht deinen ganzen Profit zu verschenken.«
    Sie lächelte ihn an. »Soviel mir bekannt ist, hat dir die Hälfte der gesamten Stadtbevölkerung seit fünf Jahren keinen Cent mehr gezahlt. Und ich sehe noch immer keinen, den du rauswirfst.«
    Ninny, die normalerweise den Mund hielt, piepste: »Das stimmt, Cleo.«
    Er verspeiste eine Erdnuss, Idgie stand auf und schlang einen Arm um seinen Hals. »Gib’s zu, alter Knochenbrecher! Noch nie in deinem Leben hast du einem Hungrigen die Tür gewiesen.«
    »Das musste ich auch nicht. Die kamen ja alle zu dir.« Er räusperte sich. »Nun mal im Ernst, Idgie. Ich will dir nicht in deine Geschäfte reinreden, ich will nur wissen, ob du ein bisschen Geld sparst, das ist alles.«
    »Wozu sollte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher