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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Autoren: Fannie Flagg
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Wangen, ein pausbäckiges kleines Mädchen mit Stirnfransen und rosa Haarband und einer Kette aus winzigen Perlen; und er selbst saß direkt dahinter, mit glattem braunem Haar, eine Wange an ihre gepresst.
    Oft fragte er sich, was Bernice wohl machte. Irgendwann wollte er sie besuchen, falls er je wieder auf die Beine kam.
    Als er zwanzig war, verlor er das Foto, weil ihn ein Kerl von der Bahnpolizei aus einem Frachtwaggon stieß – in einen kalten gelben Fluss irgendwo in Georgia. Später dachte Smokey kaum noch an seine Schwester – nur wenn er zufällig mit einem Zug bei Nacht durch die Smoky Mountains fuhr, auf dem Weg irgendwohin …
    Eines Morgens saß Smokey in einem Zug von Georgia nach Florida. Seit zwei Tagen hatte er nichts mehr gegessen, und er erinnerte sich, dass sein Freund Elmo Williams erzählt hatte, direkt außerhalb von Birmingham würden zwei Frauen ein Café betreiben, wo man jederzeit eine Mahlzeit bekomme. Den Namen des Lokals hatte er schon auf einigen Güterwagen gelesen. Und als er in einer Station das Schild mit der Aufschrift »Whistle Stop, Alabama«, entdeckte, sprang er auf den Bahnsteig.
    Er fand das Café jenseits der Gleise, so wie Elmo es erklärt hatte, ein kleines grünes Haus mit einer grün-weißen Markise unter einer Cola-Reklame und einem Schild – »The Whistle Stop Café«. Smokey ging nach hinten und klopfte an die Küchentür. Eine kleine Schwarze briet gerade Hühner und zerschnitt grüne Tomaten. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und rief: »Miss Idgie!«
    Gleich darauf erschien eine hübsche, große Blondine mit Sommersprossen und Kraushaar. Sie trug ein sauberes weißes Hemd und eine Männerhose. Smokey schätzte sie auf Anfang Zwanzig. Er nahm seinen Hut ab. »Verzeihen Sie, Ma’am, ich hab’ mir überlegt, ob Sie vielleicht einen Job für mich haben, irgendwas, das ich für Sie tun könnte. In letzter Zeit hatte ich viel Pech.«
    Idgie musterte den Mann in der fadenscheinigen, schmutzigen Jacke, dem ausgefransten braunen Hemd und den rissigen Lederschuhen ohne Schnürsenkel und wusste, dass er nicht log. Sie zog die Tür weiter auf. »Kommen Sie rein, mein Junge. Ich glaube, wir finden was für Sie.« Dann fragte sie, wie er heiße.
    »Smokey, Ma’am.«
    Im Lokal wandte sie sich zu der Frau hinter der Theke. So was Hübsches hatte Smokey, der monatelang keiner ordentlich gekleideten, sauberen Frau begegnet war, sein Leben lang nicht gesehen. Tupfen schmückten ihr Kleid aus Schweizer Musselin, und sie hatte das kastanienbraune Haar mit einem roten Band zurückgebunden.
    »Hör mal, Ruth, das ist Smokey. Er wird für uns arbeiten.«
    Ruth lächelte ihn an. »Wie nett! Freut mich, Sie kennenzulernen.«
    »Machen Sie sich da drin ein bisschen frisch.« Idgie zeigte auf die Herrentoilette. »Und dann essen Sie was.«
    »Ja, Ma’am.«
    In der Toilette hing eine helle Glühbirne von der Decke, und in einer Ecke stand sogar eine große Wanne mit Klauenfüßen und einem schwarzen Gummistöpsel an einer Kette. Auf dem Rand des Waschbeckens entdeckte er einen Rasierer, eine Schüssel mit Rasierseife und einen Pinsel.
    Als er vor den Spiegel trat, schämte er sich, weil die beiden Frauen ihn so schmutzig gesehen hatten. Aber mit Seife war er schon lange nicht mehr in Berührung gekommen. Er nahm den großen Riegel aus brauner Oxydolseife, versuchte all den Dreck und Kohlenstaub vom Gesicht und den Händen zu schrubben. Seit vierundzwanzig Stunden musste er auf einen Drink verzichten. Seine Hände zitterten heftig, und er konnte kaum das Rasiermesser halten, aber er tat sein Bestes. Er bespritzte sich mit Old-Spice-Rasierwasser, glättete sein Haar mit dem Kamm, den er auf der Ablage über dem Waschbecken gefunden hatte, und kehrte ins Café zurück.
    Idgie und Ruth hatten einen Tisch für ihn gedeckt. Er setzte sich vor einen Teller mit Brathuhn, schwarzgefleckten Erbsen, Steckrüben und gebratenen grünen Tomaten. Dazu gab es Maisbrot und Tee. Er ergriff die Gabel und begann zu essen. Seine Finger bebten immer noch, und er schaffte es nicht, den ersten Bissen in den Mund zu schieben. Den Tee schüttete er über sein Hemd.
    Er hatte gehofft, die Frauen würden ihn nicht beobachten, aber nach einer Weile sagte die Blondine: »Kommen Sie, Smokey, gehen wir mal draußen spazieren.«
    Bedrückt nahm er seinen Hut und wischte sich den Mund mit der Serviette ab. Er glaubte, er wäre gefeuert. »Ja, Ma’am.«
    Idgie führte ihn in den Hof hinter dem Lokal. »Sie sind
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