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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P
Autoren: Wein des KGB
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Schwiegereltern sehen konnte. Er machte sich Sorgen um Jérôme. Er klagte verstohlen über Druck in der Brust, ließ sich aber nicht dazu bewegen, einen Arzt aufzusuchen.
    »Wenn man erst damit anfängt, kommt man von ihnen nicht mehr weg, bis sie einen in den Sarg stecken«, war seine stereotype Antwort. Charlotte konnte so viel schimpfen, wie sie wollte, und auf ihre Mutter, Madame Lisette wurde sowieso nicht gehört. Jetzt lag es an ihm, Jérôme hörte nur auf ihn. Aber die Fensterläden waren zugeklappt, demnach waren die beiden weggefahren. Martin kehrte enttäuscht zurück. Er hätte gern über die Eindrücke des Nachmittags mit seinem Schwiegervater gesprochen, damit er entweder seine Zweifel ausräumte oder ihn darin bestärkte. Er hatte das Gefühl, dass Coulange mehr wusste, als er sagte.
    Der Auftrag kam Martin äußerst gelegen. Er würde wieder reisen, so wie früher, als ihn die Suche nach außergewöhnlichen Weinen durch ganz Westeuropa geführt hatte. Er kannte sich in Italien besser aus als in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Dieser Staat und die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang waren ihm immer fremd gewesen. Rumänien war jetzt in der Europäischen Union. Es wäre interessant zu sehen, wie die Weine inzwischen waren, wie sich die Menschen dort zwanzig Jahre nach ihrer »Wende« gebärdeten und ob dort neue Konkurrenten für den internationalen Weinmarkt heranwuchsen. Außerdemwaren die fünfundzwanzigtausend Euro nicht zu verachten. Im Grunde genommen war es gar nicht viel, wenn er bedachte, dass Flying Winemaker, Wein-Coaches und sonstige obskure Berater zwei- bis dreitausend am Tag einsackten. Im Vergleich zu Coulange war er bestimmt ein armer Schlucker, sein Geld steckte in der Erde.
    Die Stille im Haus an einem solchen Tag machte ihm zu schaffen. Vor vier Jahren hatten sie es gekauft, Gastons Frau Caroline und die Kinder waren ausgezogen und in den Süden zurückgegangen. Seit er mit Charlotte hier lebte, empfand er das Haus als viel zu groß für zwei, und dieses Gefühl wurde nahezu unerträglich, wenn sie verreist war. Für eigene Kinder waren sie leider zu alt. Wenn Daniel in den Sommerferien kam und ihm half – Gastons Sohn hatte die Begeisterung des Vaters für den Weinbau geerbt   –, war die Stimmung gänzlich anders. Und auch Martins Schwester war nach der Scheidung und dem Bankrott ihres Exmannes oft zu Besuch. Aber das war alles nur vorübergehend. Sie hatten schon überlegt, ein oder zwei Zimmer an Feriengäste zu vermieten. Dann hätten sie allerdings umbauen müssen.
    In der Küche begutachtete Martin den Inhalt des Kühlschranks und musterte die Vorräte in der Speisekammer. Er sah nichts, woraus er auf die Schnelle ein Abendessen hätte zubereiten können. Für sich allein zu kochen hatte er sich in der Ehe abgewöhnt. Einkaufen würde er morgen, bevor er Charlotte vom Flugplatz abholte. Missmutig verließ er die Küche, tauschte den Anzug gegen Jeans und Lederjacke und warf sich in den Wagen. Als er kurz vor Castillon-la-Bataille das Bistro an der Tankstelle erreichte, besserte sich seine Laune. Das Bistro war zum Treffpunkt der lokalen »Billard-Elite aus Winzern, Landarbeitern und Lieferwagenfahrern« geworden, wie Charlotte sarkastisch bemerkte. Ein wenig eifersüchtig durfte sie gern sein.
    »Du bist eben ein Glückspilz.« Jacques strich zum wiederholten Male mit der Kreide über die Spitze des Queues.Martin hatte ihm während des Spiels vom Treffen mit Coulange berichtet. »Was deine Bedenken angeht, so übertreibst du. Im Grunde bist du zu beneiden. Dieser Auftrag kommt genau im Moment, wo du Geld brauchst. Was beklagst du dich?«
    Martin sah Jacques ungeduldig auf die Finger. Immer wenn sein Freund die Spitze des Queues derartig bearbeitete, wusste er nicht, wie er den nächsten Stoß führen sollte. Er war in der Klemme, und das ärgerte ihn maßlos, aber zeigen konnte er es auch nicht. Jacques war, seit Martin begonnen hatte, hier im Bistro zu spielen, bedeutend besser geworden, aber er reichte nicht an ihn heran. Doch als Winzer nahmen sie ihn noch immer nicht ganz für voll, obwohl seine Entscheidung, demnächst eine klassische Cuvée zu machen, viel Zustimmung fand. Das hatte er wie immer über Dritte erfahren. An ihn als Deutschen hatten sie sich gewöhnt. Er bekam hier und da noch einen dummen Spruch zu hören, besonders wenn er zu viel gewann, aber nur von Leuten, die ihn nur flüchtig kannten, und die wurden dann von den Stammgästen
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