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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel
Autoren: Sarah Mlynowski
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Chance. Er könnte die Packung auch hier in Boston gekauft haben, hoffend, träumend, sie für mich öffnen zu können. Wie viele Kondome sind noch mal in der Schachtel? Zehn? Oder zwölf? Wer sich so was wohl ausdenkt? Warum nicht fünfzehn oder zwanzig oder eins für jeden Tag des Monats?
    Wenn auch nur eins fehlt, gehe ich.
    Oh. Die weiße Schachtel ist voller Vitamintabletten.
    Ich schließe die Schranktür und drehe den Wasserhahn auf. Zu kalt. Ich drehe den Griff weiter nach links. Zu heiß. Ich hasse es, wenn ich nicht das genaue Mischungsverhältnis zwischen Warm und Kalt finde. Dann stelle ich die Dusche an, versuche es jedenfalls. Auch das hasse ich. Ich weiß einfach nicht, welchen Hebel man umlegen muss, damit die Dusche angeht. Warum ist es so schwer, eine Dusche anzustellen? Na endlich. Das Wasser ist heiß, als ich die Fußablage betrete und nach der Seife greife. Er benutzt Dove. Ich habe das Gefühl, seine Mutter hat die ganze Wohnung für ihn eingerichtet.
    Er ist seit zwei Tagen hier. Was hat er Silvester gemacht? Wenn er so verrückt nach mir ist, warum hat er dann nicht angerufen? War er im „Orgasm“? Gesehen habe ich ihn nicht. Hat er mich gesehen? Hat er mich allein an der Bar sitzen sehen? Vielleicht hat er mich mit Andrew gesehen. Vielleicht hat er gesehen, wie ich mit Andrew rausgegangen bin, und jetzt hat er Angst, dass ich mein eigenes Leben lebe und er seine Macht über mich verliert? Wird er das Interesse verlieren, sobald er sich wieder sicher fühlt?
    Da stehe ich also, komplett verwirrt unter seinem Super-massageduschkopf, während das heiße Wasser auf meinen Rücken prasselt. Wann wurde aus mir eigentlich dieses unsichere Mädchen? Wann wurde aus mir der Mensch, der in dem Spiegelschrank seines Freundes nach der Anzahl der verbliebenen Kondome schnüffelt?
    Ich kann kaum atmen – zu viel Dampf hier drin. Ich drehe das Wasser ab und verlasse die Kabine. Ich muss endlich herausfinden, was ich tun soll, was ich sagen soll, wer ich sein soll. Ich öffne das Fenster, wickele mich selbst in das flauschige graue Handtuch und setze mich auf die kalten Fußbodenfliesen. Vielleicht verzieht sich der Dampf, und ich kann wieder atmen, bis ich bis zehn gezählt habe. Eins … zwei … drei … Wenn ich bis zehn zähle, kommen die Antworten vielleicht von allein. Vier … fünf … sechs …
    Gehen die Versuche meiner Liebesbeziehungen schief, weil ich dazu bestimmt bin, mit Jeremy zu leben? Oder weil ich Angst habe, mich in jemand anderen zu verlieben, für jemand anderen zu sorgen, zuzulassen, dass es mit Jeremy und mir endgültig vorbei ist?
    Bin ich verliebt? Oder habe ich Angst, mich zu verlieben?
    Sieben … acht … neun … zehn.
    Vielleicht
sind
wir füreinander bestimmt. Die Tatsache, dass wir immer wieder zusammenkommen, muss doch für etwas stehen.
    „Jer?“ rufe ich. „Komm mal kurz her.“
    „Gleich!“ brüllt er vom Wohnzimmer aus zurück. Er macht die Tür auf. „Es ist zu heiß hier drinnen. Komm du raus!“
    „Und draußen ist es zu kalt.“ Ich ziehe ihn am Arm ins Bad und lasse die Tür hinter ihm offen. „Bist du in mich verliebt?“
    Ohne einen Ton zu sagen, sieht er mich an. „Ich … wie soll ich dir das beantworten. Ich bin gerade seit zwei Tagen hier.“
    Falsche Antwort. „Wir kennen uns jetzt seit über drei Jahren. Wenn du die Frage jetzt nicht beantworten kannst, wirst du es nie können.“
    Sein Gesicht wird rot von dem Dampf. „Bist du in mich verliebt?“ gibt er die Frage zurück.
    Vielleicht macht es nichts, dass er nicht sagt, er liebt mich. Vielleicht macht es nichts, dass ich ständig den Bestand seiner Kondomschachteln überprüfe. Vielleicht ist unsere Beziehung genau so tief, wie sie sein kann.
    Vielleicht gibt es nur ein Tief, von dem man in diesem Zusammenhang sprechen kann. Und das ist das, durch das ich die vergangenen Monate geschritten bin. Wollte ich wirklich mit Jeremy zusammenbleiben, bräuchte ich Stiefel bis zur Hüfte.
    „Ich gehe nach Hause.“
    Er sieht mich schweigend an und verlässt dann das Bad. Ich ziehe mich an und beschließe, die Subway zu nehmen. Er versucht nicht, mich aufzuhalten.
    Als ich zur Haltestelle laufe, gefrieren mir Strähnen meines Haares zu kleinen Eiszapfen. Sobald ich zu Hause angekommen bin, nehme ich ein heißes Bad. Dann lasse ich meine Kreditkarten sperren. Manchmal muss man einfach konsequent sein und den Schaden begrenzen.

18. KAPITEL
    K ann ich eine Jo-Jo werden?
    Als ich nach Hause komme,
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