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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel
Autoren: Sarah Mlynowski
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wirklich an Sam nervt, ist ihr Warum-kannst-du-deinen-Mist-eigentlich-nicht-wegräumen-Blick. So zum Beispiel, wenn sie meine Strümpfe auf dem Tisch findet. Oder wenn sie mich fragt, warum ich die Reste aus dem Kühlschrank nicht wegschmeiße, wie die fast leere Milchtüte, die Pizzabox, in der nur noch Ränder liegen, oder die Flasche Eistee, auf deren Grund eine sämige Flüssigkeit dümpelt, die an alles andere als an Tee erinnert. Einmal, als sie mein angebissenes Käse-Sandwich in den Müll geworfen hat, sagte sie sogar, dass es nicht nötig wäre, ihr die Hälfte übrig zu lassen. Nein, das war keineswegs sarkastisch gemeint.
    Der Punkt ist folgender: Isst man eine Sache auf, bringt das normalerweise mit sich, dass man abwaschen und irgendwelche Reste wegwerfen muss, was vermutlich heißt, die volle Mülltüte durch eine leere zu ersetzen und den alten Müll zur Tonne zu bringen, insgesamt eine Menge Arbeit also.
    Das Gleiche gilt für das gefilterte Wasser. Ich mache den Behälter nie ganz leer, weil ich es hasse, ihn aufzufüllen.
    Ich nehme an, ich habe die Freuden solcher Arbeiten einfach noch nicht gespürt.
    Sam ist natürlich sauer, dass ich ihr die ganze Verantwortung übertrage. Sie überweist die Miete, zahlt die Rechnungen, gießt die Blumen, füttert die Katze … Ich denke, sie tut das, weil ich andere Sachen erledige. Ich bin allerdings nicht in der Stimmung, die anderen Sachen jetzt aufzuzählen, dazu ist mein Kopf viel zu voll (Jer, Jer, Jer). Gott sei Dank erledigt Sam am Ende aber doch immer alles, sonst hätten wir längst die zweite Abmahnung vom Vermieter, braune Pflanzen und eine tote Katze.
    Das mit der Katze war ein Witz. Natürlich würde ich sie füttern. Aber wir haben gar keine.
    Sam kommt ins Zimmer. Sie und ihr Anhängsel halten jeder eine volle Einkaufstüte im Arm.
    „Sieh mal einer an. Sexy Klamotten! Was hast du heute Abend denn vor?“
    „‚Orgasm‘ steht an.“
    Marc lacht. „Du Glückliche.“
    Sam kichert wieder, stellt ihre Tüte ab und umfasst Marcs Taille. „Blödmann! Die Bar heißt ‚Orgasm‘.“
    „Ich weiß. War ein Scherz, Sammy-Bärchen.“
    Marc nennt Sam „Sammy-Bärchen“. Ich verstehe es nicht. Wie kam er überhaupt darauf?
    „Ich weiß, dass du’s weißt, Bär-Balu.“
    Sam nennt Marc „Bär-Balu“. Ich verstehe es einfach nicht. Ich will es auch nicht verstehen.
    „Mit wem gehst du hin?“ fragt Sam.
    „Mit Nat. Wir werden uns betrinken und Männer kennen lernen. Kommt ihr mit?“ Sag bitte Nein.
    „Hört sich nach Spaß an“, sagt Marc. „Aber wir wollen ‚L and O‘ sehen.“
    Sam kichert. „Ist das der neue Name für ‚Law and Order‘? Wie DKNY oder KFC?“
    „Heutzutage kürzt man alles ab“, erklärt Marc. „Und wenn du lieb bist, Sammy-Bärchen, gibt’s hinterher ein Eis von DQ.“
    „Ist es normal, dass jemand so ein Besserwisser sein kann?“ fragt Sam zu mir gewandt und boxt Bär-Balu spielerisch in die Seite.
    „Du bist der Besserwisser“, korrigiert ihr Anhängsel.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag hätte ich kotzen können.
    Nachdem sie verschwunden sind und zum Glück die Tür geschlossen haben, bereite ich die Utensilien vor, die wir für unser Gelage brauchen.
    Ich hole den Wodka und zwei Schnapsgläser. Sie muss jede Sekunde kommen. Ich kann ja schon mal einschenken.
    Klasse! Ich gehe heute Abend aus! Ich war noch nie im „Orgasm“, habe aber schon jede Menge darüber von Nat gehört. „Das ist
der
Laden, um gesehen zu werden“, meinte sie mal, nachdem ich ihr vorgelogen hatte, dass ich zu viel zu tun hätte, um auszugehen. Als ob ich mir immer Arbeit mit nach Hause nähme. Dafür werde ich ganz gewiss nicht gut genug bezahlt. Würde ich wahrscheinlich auch nie gut genug bezahlt werden.
    „Jeder, der jemand ist, geht dorthin“, sagte sie.
    So oder so. Heute würde ich gesehen werden. Wenn Nat es endlich schafft vorbeizukommen. Nat, wo bist du?
    Jeremy, wo bist du? Lange holländische Beine kommen mir in den Sinn.
    Ich könnte eigentlich schon anfangen und vorkosten. Den Drink, meine ich. Nicht die langen Beine. Jeder Wunschgedanke sollte doch ein Mindestmaß an Realitätsbezug haben; was hat man denn davon, von Sachen zu träumen, die sowieso nie wahr werden?
    Autsch. Das brennt. Der Drink, meine ich, nicht die Wahrheit (obwohl die eine Frau auch schockieren kann, sofern sie sie zulässt).
    Verfluchte Schlampe mit ihrem verfluchten holländischen Bauchnabelpiercing.
    Und Nats Drink steht da so einsam und
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