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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel
Autoren: Sarah Mlynowski
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Fern benutze ich nie. Ich hasse Fern. Ich begreife immer noch nicht, wie meine Eltern mir einen so fürchterlichen Namen geben konnten. Ich denke, es war einer von Janies drogenumnebelten Momenten während der Siebziger. Sie habe ich inzwischen davon überzeugt, mich bei meinem zweiten Vornamen zu nennen, aber mein Vater scheint in dieser Hinsicht schwer von Begriff zu sein.
    Es war einmal, da lebte ich mit Janie und meinem Vater in einem Haus auf der Lazar Street in Danbury, Connecticut, und meine beste Freundin war ein Mädchen namens Wendy, mit Zöpfen und so groß wie ich. Heute ist Wendy um einiges größer als ich, immer noch meine beste Freundin, und ihre Zöpfe sind verschwunden (sie tauchten kurzzeitig während der Neunziger noch mal auf, als es modern war, „niedlich“ auszusehen). Mein Dad, er heißt Tim, aber ich durfte ihn Dad nennen, fertigte, wie ich bereits erwähnte, Damenoberbekleidung, während meine Mutter Armbänder kreierte. Sie machte Tausende davon, einige mit Rheinkieseln, andere mit Sternen und Monden. Ein paar hat sie an die örtlichen Boutiquen verkauft, die meisten aber verstaute sie in alten Schuhkartons, die sie wie Backsteine neben dem Bücherregal stapelte. Heute bin ich froh, dass sie damals in Mode gemacht und sich jede Menge Schuhe gekauft hat.
    Als ich sechs war, habe ich herausgefunden, dass meine Eltern sich nicht mehr besonders gut verstanden. Inzwischen leuchtet mir das vollkommen ein. Alles leuchtet immer ein, wenn man es rückblickend betrachtet – die richtige Antwort während einer Prüfung, der Typ, der dir nachstellte, den du aber nur so lala gefunden hast, bis das beliebteste Mädchen der Klasse mit ihm abzog, der tote Winkel, den du vor dem Abbiegen definitiv hättest beachten sollen, um deinen Seitenspiegel nicht zu verlieren –, aber damals fand ich ihren emotionalen Umschwung schlicht erschreckend. Dad zog in eine Junggesellenbude, und Janie und ich suchten uns eine Drei-Zimmer-Wohnung am anderen Ende der Stadt.
    Einige Monate später heiratete Dad Bev, eine teilzeitbeschäftigte Reiseverkehrskauffrau, und zog mit ihr in ein Haus in Dufferin. Noch ein paar Monate später heiratete Janie Bernie, ein Vertriebsmensch, und wir zogen in seine Drei-Zimmer-Wohnung, die nur geringfügig größer war als unsere. Als ich acht war, war Janie mit Iris schwanger, und zu dreieinhalb zogen wir wieder um. (Iris wurde übrigens dazu ermuntert, Janie Mom zu nennen.) Als Iris vier war, war Janie es leid, den Krach der Nachbarn über ihr zu ertragen, leid zu denken, sie lebe unter einer Kegelbahn, leid, ihre Beatles-CD zu hören, ohne dass die Polizei kam und sie bat, die Musik leiser zu stellen (was definitiv passierte), und so zogen wir in unser eigenes Haus.
    Wir wohnten in der Kelsey Avenue und blieben dort, bis Janie fand, dass sie in ihren Birkenstocks lange genug Angst vor irgendwelchen Rotwildzecken gehabt hatte, also zogen wir nach Boston.
Wir
schließt mich glücklicherweise nicht mehr mit ein. Ich ging damals auf die Uni. Die anderen wohnten vier Jahre in Newton, bis Janie entschied, dass man nach Virginia ziehen musste, da „jeder Mensch in der Lage sein sollte, in weniger als einer Viertelstunde seinen Fuß in das Meer zu tauchen“.
    Während meiner vierundzwanzig Jahre auf diesem Erdball hatte ich, summa summarum, vierzehn unterschiedliche Schlafzimmer. Um auf diese Zahl zu kommen, muss ich das Studentenwohnheim, meine erste Wohnung mit Wendy an der Uni, meine zweite Wohnung mit Wendy an der Uni sowie meine dritte Wohnung an der Uni ohne Wendy mitrechnen, nachdem sie den Job als Investment-Bänkerin in New York bekommen hatte. Ich blieb, prinzipiell, um meinen M.A. zu machen, im Grunde aber, um bei Jeremy sein zu können. In der Liste ist die Wohnung eingeschlossen, in der Janie lebte, als sie mit mir schwanger war.
    Ich bin nicht in der Stimmung, sie jetzt zurückzurufen. Lieber liege ich auf der Couch und gucke irgendein stupides Programm im Fernsehen. Ich switche mich durch die Kanäle. Nichts als langweilige Nachrichten.
    Ich beschließe, mir meine schicken kniehohen Stiefel anzusehen, die ich mir auf dem Weg von der Arbeit auf der Newbury Street gekauft habe. Jede frisch getrennte Frau braucht neue Stiefel. Das ist der erste Schritt auf dem Weg in ein neues Leben.
    Insgesamt gibt es natürlich fünf Schritte. Wendy und ich haben sie aufgeschrieben, nachdem sie mit – wie war doch gleich sein Name? – Schluss gemacht hatte. Dieses Wirtschafts-Ass, das sie mit
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