Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Große Kinder

Große Kinder

Titel: Große Kinder
Autoren: Oggi Enderlein
Vom Netzwerk:
richtig auszusprechen. Später gelingt es kaum noch, die unterschiedlichen Laute zu unterscheiden und richtig nachzuahmen. Diese Problematikgilt für alle Menschen: Wenn wir als Europäer erst im Erwachsenenalter Japanisch lernen, wird es uns kaum möglich sein, Japanisch akzentfrei zu sprechen.
    Was können die Erwachsenen tun?
    Zwölfjährige brauchen in unserer Gesellschaft meiner Ansicht nach vor allem mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten und mehr Ermutigung zur Selbständigkeit   – aber auch mehr Unterstützung, wenn sie sich in den Kopf gesetzt haben, etwas Besonderes auf die Beine zu stellen.
    Wenn Kinder mit 12   Jahren die Erfahrung machen, dass sie von den Erwachsenen ernst genommen werden, dass die Erwachsenen ihnen selbständiges und verantwortliches Handeln zutrauen, dann werden sie in den folgenden Jahren weniger heftig mit den Erwachsenen aneinander geraten. Denn beide, Erwachsene und Kinder, werden dann gelernt haben, dass sie sich aufeinander verlassen können: die Kinder darauf, dass die Erwachsenen sie
richtig
anfassen und ihnen zutrauen, dass sie selbstveranwortlich handeln können. Dann werden sie auch akzeptieren, wenn die Erwachsenen wieder Grenzen aufzeigen (müssen). Und die Erwachsenen werden gelernt haben, sich darauf zu verlassen, dass die Kinder ihre Möglichkeiten richtig einschätzen können und dass sie sich im Zweifelsfall doch an die Erwachsenen wenden werden.
    Ich glaube, dass ein Teil der »Jugendprobleme« in unserer Gesellschaft darauf zurückgeht, dass die »Zwölfjährigen« nicht ernst genommen, unentwegt entmündigt oder mit ihren alterstypischen Bedürfnissen abgelehnt werden. Die andere Seite ist, dass Kinder mit 12   Jahren oft zu wenig Halt und Geborgenheit erhalten, zu sehr sich selbst überlassen sind und sich dann ihren Halt bei solchen Menschen und Gruppensuchen, die schädlich auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder einwirken.
    Eltern, Lehrer und Erzieher müssen gerade bei zwölf-, dreizehnjährigen Kids wieder einmal eine Gratwanderung gehen: Sie müssen den richtigen Ton treffen, mit dem sie das Kind einerseits als »groß« ansprechen, ihm andererseits aber auch zugestehen, dass es durchaus auch noch »klein« und unreif sein darf. Erwachsene müssen sich dazu durchringen, die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen zu lassen, auch wenn sie dabei Fehler machen oder ein Risiko eingehen.

Mir wird’s zu eng!
    Die »Dreizehnjährigen«
    J eder weiß, wie unterschiedlich schnell die Entwicklung in der Pubertät verläuft. Kaum jemals vorher und nachher scheinen gleich alte Menschen so weit voneinander entfernt zu sein, wenn man sie nach ihrer Entwicklung beurteilt. Das gilt für alle Bereiche: für die körperliche Entwicklung genauso wie für die geistige, für die soziale Reife genauso wie für die emotionale.
    Dennoch spreche ich von den »Dreizehnjährigen«. Denn fast jeder Mensch erlebt eine Entwicklungsphase, die sich von der des »Zwölfjährigen« unterscheidet und die auch deutlich anders ist als die Entwicklungsphasen, die später folgen. Meistens sind die Menschen in der Zeit, in der sie
diese
Phase durchlaufen, etwa 13   Jahre alt.
    Das besondere Kennzeichen dieser Entwicklungszeit ist, dass die Menschen zum einen deutlich nicht mehr »Kinder«, sondern unübersehbar zu »Jugendlichen« herangewachsen sind   – auch wenn sie noch relativ junge Jugendliche sind.
    Das andere Merkmal ist, dass Dreizehnjährige   – im Unterschied zu Zwölfjährigen   – vor allem den Eltern oder den »Ersatzeltern« gegenüber anders auftreten: Auch wenn sie es nicht wirklich aussprechen, haben sie doch eine Ausstrahlung, als wollten sie zu den nahe stehenden Erziehern, Lehrern und Eltern sagen: »Ihr steht mir fürchterlich im Weg«, und: »Jetzthabe ich gefälligst ein Wörtchen mitzureden   – bei allem!«, und: »Ich brauche Platz, für alles, jede Menge Platz, sonst platze ich!«, und: »Lasst mich allein!«
    Dreizehnjährige treten Platz greifend, kritisch und bestimmend auf und halten sich gleichzeitig gern aus den gewohnten Familienabläufen raus. Sie selbst erleben die Erwachsenen auf einmal, als wären sie höchstens »gleich groß«   – und oft haben sie die Erwachsenen in diesem Alter tatsächlich in der Körpergröße eingeholt oder sind ihnen sogar schon über den Kopf gewachsen. Sie stehen den Erwachsenen jetzt herausfordernder als noch vor ein paar Wochen »Auge in Auge« gegenüber. Auch innerlich. Das ist schon was! Und das muss man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher