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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba
Autoren: Christoph Hardebusch
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Es war die Schwarze Flamme, die ihren Schein kühl auf ihre Gesichter warf. Fassungslos standen sie da und rührten sich nicht. Sie hatten gesehen, was für ein Wesen sich in den Schatten des Nachtwaldes verbarg, hatten gesehen, was geschehen würde, wenn sie es nicht vernichteten. Sie hatten ihren eigenen Tod gesehen, und zum ersten Mal überhaupt erkannte Rima unverhohlene Furcht in ihren Zügen – die Furcht vor etwas Unbegreiflichem, vor dem es keine Rettung gab.
    Atemlos ließ sich Arok auf seinen Platz fallen und fuhr sich mehrfach mit dem Handrücken über die Stirn. »Verflucht noch eins«, brachte er schließlich hervor und starrte Kayron an, als wollte er ihm an die Gurgel springen. »Ihr beherrscht die Magie des Blinden Berges!«
    Schwarze Magie war es, die er meinte, und Rima wusste, dass er Recht hatte. Sie spürte die Hitze der Flammen noch immer so deutlich, als würden sich glühende Klingen in ihr Fleisch senken. Erst einmal hatte sie Magie von dieser Stärke gefühlt, und der Hexenmeister, der sie gewirkt hatte, war vor langer Zeit verschollen.
    Kayron nickte. »Ich mag ein Mensch sein«, erwiderte er mit einem leichten Lächeln. »Dennoch ziehe ich nicht mit einem zerbrochenen Schwert in die Schlacht.«
    Ignyon fegte die Reste seiner Apparatur vom Tisch, als wären sie Fliegendreck, und schüttelte entgeistert den Kopf. »Aber seit Jahren hat es keine Drachen mehr gegeben. Wie ist das möglich?«
    »Die Dinge verschwinden nicht, nur weil ihr sie nicht mehr seht«, gab Kayron ungerührt zurück. »Mein Volk hat diese Weisheit vergessen, doch es irritiert mich, dass ich selbst euch daran erinnern muss.« Kurz verstummte er. »Mit jedem Augenblick, den wir hier verlieren, wird der Drache stärker. Noch ist er jung. Noch prüft er sein Geschick an Schafen und Wiesen. Doch bald schon wird sich das ändern, und dann …« Er sprach nicht weiter, aber das ängstliche Murmeln, das nun über den Platz drang, zeigte zweifelsfrei, dass jeder Halbling verstanden hatte, wie der Satz enden würde. »Ihr seid Bauern und Handwerker«, fuhr Kayron fort. »Und obendrein seid ihr Halblinge. Ihr seid schwach, ihr könnt euch keinem Drachen entgegenstellen. Aus diesem Grund …«
    Rima holte so schneidend Luft, dass der Jäger innehielt. Sie spürte das kalte Glühen seines Blickes auf sich, und für einen Moment zögerte sie. Dann jedoch schob sie das Kinn vor. »Es gab einen, der es konnte«, sagte sie. »Ragon Terrek, mein Vater, bezwang die Wölfe des Düstergrunds, er wies die Weiße Sylphe in ihre Schranken und verwundete den Lindwurm der Scherbenstadt tödlich. Er …«
    Kayron unterbrach sie mit leisem Lachen. »Doch nicht jeder Schrecken war so leicht zu bezwingen, nicht wahr?«Er hatte es ruhig gefragt, beinahe freundlich, aber das Lächeln auf seinen Lippen war wie Gift. »War es nicht der Atem des Schwarzen Drachen, der ihm zum Verhängnis wurde? Hat die Bestie ihn nicht aufgespürt und oben auf der Klippe bei lebendigem Leib verbrannt?«
    Rima ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. »Mein Vater war schwer krank, als der Drache ihn fand. Niemand hätte in seinem Zustand …«
    Kayron schüttelte fast gelangweilt den Kopf. »Er wurde von einem Schatten gefressen, den er einst jagte. So etwas passiert, wenn ein Halbling versucht, sich als Jäger zu beweisen. Denn Halblinge sind Halblinge, und Jäger sind Jäger.«
    Und Idioten sind Idioten , fügte Rima in Gedanken hinzu, als er sich abwandte. Am liebsten hätte sie ihm sein überhebliches Lächeln aus dem Gesicht geschlagen, doch sie spürte noch immer die Hitze seines Zaubers auf ihrer Haut, ebenso wie das kalte Starren seines Köters. Es war alles andere als klug, sich mit einem Jäger der Schatten anzulegen, das war ihr klar.
    »Ich biete euch meine Hilfe an«, sagte Kayron zu Arok. »Dieser Drache wird euer Dorf auslöschen, ich kenne seine Kraft. Seit geraumer Weile verfolge ich ihn, und ich werde nicht zögern, ihn zum Kampf zu fordern, aber … ich werde ihn nicht ohne eure Erlaubnis in eurem Tal jagen.«
    Die Ältesten begannen zu beratschlagen. Rima konnte ihre Stimmen im einbrechenden Tumult nicht verstehen. Sie schaute zu ihrem Onkel hinüber, der mit schreckensstarren Augen in Richtung des Nachtwaldes schaute, und sie fühlte noch einmal das Brüllen in sich widerklingen, das sie bis ins Mark erschüttert hatte. Wie nah war sie dem Drachen gekommen? Hatte er schon die Klaue gehoben, um sie zu
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