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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba
Autoren: Christoph Hardebusch
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sie ihn offenbar selbst nicht, denn gleich darauf hob er die Schultern und sah Kayron fragend an. »Aber was war es dann?«
    »Wisst ihr das nicht?«, fragte der Jäger leise. »Dann werde ich es euch zeigen!«
    Wortlos griff er in seine Manteltasche und warf blauen Sand in die Luft, der sich zu glühenden Funken entzündete. Rima sah noch, wie sich diese in glutroten Linien zu Berrus’ Weide formten. Dann stürzte ihr Blick in das Bild hinein: Sie spürte die Flammen auf der Haut, und kaum traf sie auf die Wiese, da hörte sie schon die Schafe um sich herum schreien. Schlimmer noch: Es kam ihr vor, als wäre sie es selbst, die hilflos in ihrem eigenen Blut lag, und als der Schatten über die Weide hinwegflog, traf sie seine Kälte mit Übermacht. Tief grub sie sich in Rimas Leib; eine schneidende Glut brachte ihr Blut zum Kochen und zog ihr in tausend Stimmen die Haut ab, und sie hörte das Grollen, das durch ihre Eingeweide raste und mit kristallenem Geräusch ihre Augen zum Bersten brachte. Sie schrie auf vor Entsetzen, aber gleich darauf verformte sich die Weide, und sie fand sich auf dem Marktplatz des Dorfes wieder. Flammen loderten aus den Häusern und ließen sie krachend in sich zusammenfallen, und Rima sah riesige Vögel durch die Luft fliegen – nein, keine Vögel, sondern die brennenden Leiber der Halblinge. Sie hörte ihre Stimmen in Todesfurcht, und noch während sie selbst von gnadenloser Kälte gepackt und in die Luft gerissen wurde, drang Kayrons Stimme durch ihre Gedanken.
    In ihrem Atem zerfiel die Alte Kaiserstadt zu Staub, sie verbrannten den Hohen König von Arros mit einem einzigen Blick, und sie erschufen die Wüste As’namiels, wo einst das Meer des Sturmes lag – sie, die den Himmel in Flammen setzten, jedes Mal, wenn ihre Glut auf die Erde traf!
    Rima atmete schwer. Sie wusste, dass sie in Wahrheit noch immer am steinernen Tisch saß, aber sie fühlte gleichzeitig die feuchten Steine des Marktplatzes unter ihrem Rücken, als würde sie tatsächlich unter einem gewaltigen Feuerhimmel liegen und zu den zerfetzten Wolken aufsehen, hinter denen sich ein riesiger Körper bewegte. Ihr wich das Blut aus dem Kopf, als sie die Klauen erblickte, die goldenen Schuppen und die Schwingen, so riesig, dass sie den gesamten Platz mit einem Schlag hätten vernichten können, und sie hörte das tiefe Grollen, das aus einer uralten Kehle drang.
    Erschaffen aus der Glut der Ersten Stunde, donnerte Kayrons Stimme durch ihren Kopf. Geschmiedet in den Festen des Schwarzen Berges, zerrissen und in alle Winde verstreut von Aystos, dem Frost des Östlichen Meeres, und im ewigen Zorn der Wüste Arachais zu Ewigem Leben auferweckt. Sie atmen das Erste Feuer dieser Welt, sie sind ihr Brodem und ihr Herzschlag, und sie werden sie verschlingen mit nichts als ihrem Willen, auf ewig blind in den Festen ihrer eigenen Dunkelheit. Ihr Atem verbrennt Magie der Höchsten Art, ihr Blick gefriert Gedanken und Träume, sie sind das Blut der Finsternis – sie, die Kinder des Feuers!
    Kaum hatte er geendet, legte sich Kälte um Rimas Hals. Für einen Moment lag sie wieder auf dem Waldboden und schaute hinauf zu der Dunkelheit, die sie verschlingen wollte, und sie erkannte sie als lodernde schwarze Flamme in einem goldenen Augenpaar. Es war ein tiefschwarzer Riss in einer goldenen Iris, deren Glut sie wie eisigen Frost auf der Haut spürte. Sie kannte diese Flamme aus unzähligen Geschichten, diesen lodernden Abgrund, umtost von glühendem Gold, und sie wusste, was er bedeutete. Die Schwarze Flamme war das Zeichen für Tod, Vernichtung und Untergang aus lang vergangener Zeit. Sie war das Zeichen … der Drachen.
    Der Boden unter Rimas Fingern wölbte sich wie ein riesiger Schlangenleib. Dann zerriss der Himmel über ihr, und ein Drache schoss daraus hervor, ein Drache mit goldflammendem Körper und mächtigen Klauen, der seinen Schwanz über die Dächer peitschen ließ, und als er das Maul aufriss und sein Brüllen die Luft verbrannte, tanzte sein Feuer im Sturm seiner Schwingen. Rima spürte schon die Glut seines Atems auf dem Gesicht, doch gerade, als seine Macht sie erfassen wollte, ging ein Knall durch die Luft und zerschmetterte das Bild um sie herum.
    Sie fand sich auf dem Boden neben dem steinernen Tisch wieder. Benommen rappelte sie sich auf. Auch die anderen Halblinge kamen auf die Beine, sie waren in wilder Panik übereinandergefallen und schauten nun zu einem flammenden Zeichen auf, das hoch über ihren Köpfen stand.
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