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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn
Autoren: Karl Bleibtreu
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freundlich. Der Graf erkannte den Forstmeister des Comitats, einen Sachsen. Sobald man dem erst finsterblickenden Bauern auseinandergesetzt, daß dies der große Graf des nächsten Bezirks sei, schwenkte er ihm mit der natürlichen vornehmen Grandezza des Romanen sein Glas Landwein entgegen:»
Sanitate bona!
« Er habe gehört, wie der Forstmeister verdolmetschte, daß der
Domnule
(Herr) gut gegen seine Leute sei. Dann schenkte er ihm ein und bot den ungeheuren Schafkäse an, der auf dem rohgehobelten Tische stand. Seine Frau, (in der eigenthümlichen Tracht der Berg-Walachinnen, statt eines Rocks nur zwei rothgestreifte Schürzen vorn und hinten umgebunden) bereitete dem erlauchten Gast mit gastfreundlichem Grinsen ein Lager in der Wohnstube.
    Noch lange saßen der Forstmann, eine germanische Barbarossagestalt mit langwallenden Barte, und der Graf zusammen. Ersterer war hierher verschlagen worden, um den Grenzstreit zweier walachischer Horden über ein Thalflüßchen zu schlichten. Eigentlich, vertraute er flüsternd an, befände man sich hier unter lauter Räubern und Schmugglern. Aber der Gastfreund sei natürlich sicher wie in Abrahams Schoß.
    Als man in tieferes Gespräch gekommen und Krastinik seine deutschfreundlichen Sympathien erschlossen hatte, thaute der Andre auf. Es zeigte sich, daß seine Vergangenheit eine bewegte gewesen war. Als Forst-Eleve in Tharand bei Dresden ausgebildet, hatte er sich wie die meisten Siebenbürger Sachsen ganz als Deutscher gefühlt und die Einheitsbestrebungen der deutschen Turnvereine in sich aufgenommen. Als daher der Freiheitskampf der Schleswig-Holsteiner losbrach, hielt es ihn nicht in der äußersten Südmark deutscher Gesittung (der sächsischen
Coloniae Imperii Germanici,
deren Kirchengemälde neben dem ungarischen Wappen den deutschen Reichsadler führten) und er eilte hinauf zur äußersten Nordmark. Dort an der Eider focht und blutete er für die deutschen Brüder unter dem Befehl des Generals v.d. Tann. Dieser war ihm zeitlebens sein Heldenideal geblieben, obschon er nach der Schlacht von Fridericia für immer in die ungarische Heimath zurückgekehrt. Der heldenhafte und doch vornehm milde Sinn des bayrischen Freiherrn leuchtete ihm noch heute vor als Sinnbild deutscher Männlichkeit und sein Herz schlug höher, als er später von den Thaten des Corps v.d. Tann in Frankreich vernahm.
    Beide sprachen hierüber. Welch ein Leben, welch ein typisches Sinnbild für die Entwickelung der neuen deutschen Größe! 1848 als Freischärler mit deutschen Milizen der Kriegsmacht des Inselreichs trotzend. 1866 als süddeutscher Heerführer mit unerschütterlichem Muth dem Höllenfeuer der Preußen Stand haltend, um die Waffenehre zu retten, aber innerlich jauchzend über jeden Sieg der norddeutschen Großmacht, die auserwählt, um den Traum aller großdeutschen Patrioten zu verwirklichen. Und nun 1870, glücklich und stolz als deutscher Häuptling dem Aufgebot des gemeinsamen Herzogs zu folgen, greift er mit einem Hochmuth kriegerischer Ueberlegenheit die französischen Heere an, als sei er ein altfränzösischer
Maréchal de l'Empire.
    1848-1888, nur vierzig Jahre, für Deutschland vier Jahrhunderte. Welch erschütternder Beweis für die Allmacht der geheimen Drehungsgesetze, das binnen vier Jahren (64-70) die Entscheidung fiel über des ununterbrochene Ringen und Streben dieser großen zerrissenen Nation, seit 1648, dem Westfälischen Frieden! Ein Volk aber, das solche Leiden verwand und in rastloser Arbeit seinem letzten Ziele entgegentrieb durch alle Ränke des neidischen Europa hindurch – ein Volk, das sich urplötzlich in seiner ganzen Löwenkraft erhob und seine waffenstarrende Mähne schüttelt, – ein solches Volk ist berufen, das letzte Wort zu sprechen und das Größte zu vollbringen, das Reich freier Gesittung zu erobern nach Niederwerfung aller inneren und äußeren Unkultur. In der Hohenzollernschen Weltmonarchie liegt der Schlüssel der Zukunft . Schneeweiß angethan in Majestät, wacht zu Häupten ihres Herrscherstuhls der Väter alter Ruhm, das wohlerworbene Herrscherrecht der Besten. Herrschen, ja was heißt Herrschen? Es ist ein weiter Weg von dem geflochtenen Bart eines chaldäischen Priesterkönigs bis zur Allongeperücke des Roi-Soleil und von da zum Krückstock Friedrichs des Großen.
    Stets wiederholen sich dieselben Arten.
    Die Tugendtyrannen (Brutus mit dem Dolch, Lykurg, und die schwarzen Suppen) tyrannisiren sich selbst ins Grab und kein Mensch
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