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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn
Autoren: Karl Bleibtreu
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dankt es ihnen. Die »liebenswürdigen« Landesväter bewirthen ihre Unterthanen großartig mit deren eignem Ruin, pumpen den Staat ohne Schuldschein an, nehmen den Zehnten, aber küssen dafür leutselig die Töchter des Landes. Wenn ein paar naseweise Harmodiusse ihnen das Handwerk legen, so setzt man diesen Ideologen zwar Bildsäulen, aber erst schlägt man sie sorgfältig todt. Der Perserkönig vollends, der jährlich ein paar Tausend Menschen »verbraucht« und dem Weltmeer hundert Hiebe auf die Sohlen geben läßt, wenn er Bauchgrimmen hat, ist ein Vater des Vaterlands – und zwar in mehr als einer Beziehung.
    Bis an die Grenzscheide der großen Revolution kannte man nur diese Gattungsarten des Herrschermetiers. Aber auch der »aufgeklärte Despotismus« hat seine Stunde gehabt und der demokratische Cäsarismus als Säbelregiment wird aussterben mit den Napoleoniden.
    Aufleben aber soll und wird jenes altgermanische Prinzip des »Herzogs«, erbaut auf gegenseitiger Mannentreue des Herrschers und seiner Mannen, wo jede Individualität frei bewahrt bleibt und nur freiwillige loyale Unterordnung unter den Vertreter der Staatsgewalt regiert. Dies germanische Prinzip vererbte Karl der Große, dieser »erste Diener seines Staates«, den sächsischen Kaisern, und weil die Salier und Hohenstaufen unter wälschem Einfluß, sich demselben entfremdeten, mußte das Kaiserthum zu Grunde gehn. Aber in den Hohenzollern lebte es um so herrlicher wieder auf.
    Diese Mon-archie wird sich stabiliren auf einem
rocher de bronce.
Nicht auf dem »constitutionellen« Unfug der Plappermente, wo Geldsäcke und rabulistische Advokaten (ja sogar eine besonders auf den Parlamentssport trainirte Sorte von bezahlten oratorischen Blasebälgen, die über jeden beliebigen Gegenstand den Wind einer spitzfindigen Debatte auspusten) die Nation vertreten Sondern auf der Aristo-kratia der Weisesten und Besten der Begabtesten und der Charakterstärksten, wird dereinst diese Weltmonarchie sich gründen, wie die Kirche auf dem Felsen Petri – dereinst, wenn das geschichtliche Naturgesetz eine umwälzende Drehung vollführt, überraschend den Myriaden Blinden, vorherberechnet und prophezeit von wenigen Sehern.
     

IX.
     
    Sich zurückziehn vom Gewühl des Marktes, weil die aristokratischen Fingerlein sich dort beschmutzen? Hier in vornehmer Exclusivität behäbig auf seinem Schlosse horsten und das Leben der Pöbelwelt von oben herab belächeln?
    Einst in London hatte er, kurze Zeit in einem Boarding-House lebend, jene Klasse von Rentiers beobachten können, die man fast nur in England und Frankreich, nicht im arbeitsamen Deutschland kennt. Zurückgezogen von den Geschäften, von ihren Zinsen lebend, dreht sich das Leben solcher Leute um den Morgenspaziergang über Constitution Hill, das Verdauen der »Times« zum Frühstück und das feierliche Vorschneiden des Beaf am Mittag. Zieht sich dann Einer noch nach dem Thee und Whist mit seiner Whiskyflasche ins Schlafzimmer zurück und säuft sich fromm in gesunden Schlaf hinüber, so hat er sein Tagewerk würdevoll verbracht. – –
    Also der Krieg, der so lange drohende, der Krieg, der all die mächtigen Fragen zur Lösung bringen sollte, stand binnen kürzester Frist bevor? Alle Zeitungen tönten es wieder. Und bei dieser Weltentscheidung sollte er hier hocken bleiben, vielleicht die Landesvertheidigung seines Distrikts als Landsturmcommandeur leiten, höchstens das Deutschthum schirmen gegen etwaige Revolten im Innern? Nein. Die Erziehung seiner Mündel konnte warten, hier galt es wahrlich seine eigene Erziehung. Mit fester Hand schrieb Graf Xaver Krastinik umgehend an den Commandeur seines alten Regiments sowie an eine höhere Behörde in Budapest: daß er bitte, seine selbsterbetene Entlassung aus dem Dienste zu annulliren, daß er sofort wieder eintreten wolle. Er wußte, daß man mit Freuden sein Gesuch bewilligen würde. Zurück konnte er nicht mehr. Der Würfel war gefallen.
    Ja, eingereiht aufs neu in die Liste der gewöhnlichen Kämpfer. Keine falsche Erhabenheit mehr, kein eigenwilliges Abschließen in eigenem passivem Werthe. Wie jeder Andere unterworfen der strammen Zucht eines geordneten Berufes, wo jedes eigene Vordrängen unmöglich und jeder nur als Glied des Ganzen gilt.
    ... Ja, Jeder nur ein Glied des Ganzen. Wer das erkannt, bedarf keines Arztes mehr, um ihm Chinin zu verschreiben für das Fieber der Existenz. Das geschichtliche Gravitationsgesetz dreht das Leben jedes großen Mannes
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