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Grischa: Die Hexe von Duwa: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)

Grischa: Die Hexe von Duwa: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)

Titel: Grischa: Die Hexe von Duwa: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)
Autoren: Leigh Bardugo
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nicht meinem Wesen.«
    »Und was soll das dann?«, fragte ich und schwenkte eine Hand in seine Richtung. »Du siehst so aus, als wärst du zu einem Fest unterwegs, obwohl du demnächst vielleicht getötet und verstümmelt werden wirst.«
    Maljen lachte. »Du machst dir zu viele Sorgen. Der Zar hat nicht nur eine ganze Truppe von Inferni geschickt, um die Skiffs zu beschützen, sondern auch einige dieser grässlichen Entherzer. Wir haben unsere Gewehre«, sagte er und klopfte auf die Waffe, die er auf dem Rücken trug. »Uns kann nichts passieren.«
    »Bei einem richtig üblen Angriff ist ein Gewehr keine große Hilfe.«
    Maljen warf mir einen amüsierten Blick zu. »Was ist nur los mit dir? Du bist in letzter Zeit noch stinkiger als üblich. Und du siehst schrecklich aus.«
    »Vielen Dank«, grollte ich. »Ich habe schlecht geschlafen.«
    »Oh! Das ist ja etwas ganz Neues.«
    Er hatte nicht Unrecht, denn ich schlief immer schlecht. Aber während der vergangenen Tage hatte ich überhaupt kein Auge mehr zugetan. Die Heiligen wussten, dass ich mich aus vielen guten Gründen vor der Schattenflur fürchtete, und diese Gründe kannte jeder Angehörige unseres für die Durchquerung ausersehenen Regiments. Aber da war noch etwas, ein nagendes Unbehagen, das ich nicht in Worte fassen konnte.
    Ich sah zu Maljen. Früher hätte ich ihm alles erzählt. »Ich habe … so ein komisches Gefühl.«
    »Mach dir nicht zu viele Gedanken. Vielleicht geht Michail mit an Bord. Dann werden uns die Volkra nach einem Blick auf seinen fetten, saftigen Bauch in Ruhe lassen.«
    Eine Erinnerung tauchte auf: Maljen und ich, gemeinsam auf einem Stuhl in der Bibliothek des Herzogs sitzend und in einem großen, ledergebundenen Buch blätternd. Damals entdeckten wir das Bild eines Volkra: lange, faulige Klauen; lederige Flügel; rasiermesserscharfe Zähne, wie geschaffen dafür, sich an Menschenfleisch zu mästen. Die Volkra waren blind, weil sie seit Generationen auf der Schattenflur lebten und jagten, aber sie konnten Menschenblut angeblich schon aus weiter Ferne wittern. Ich hatte auf die Seite gezeigt und gefragt: »Was hält er da?«
    Maljens geflüsterte Antwort hatte ich noch immer im Ohr: »Ich glaube … einen Fuß, glaube ich.« Wir hatten das Buch zugeklappt und waren kreischend in den sicheren Sonnenschein hinausgerannt.
    Ich hatte unwillkürlich angehalten, stand da wie angewurzelt, konnte die Erinnerung nicht abschütteln. Als Maljen bemerkte, dass ich zurückgeblieben war, seufzte er und kehrte zu mir um. Er legte mir die Hände auf die Schultern und schüttelte mich.
    »Das war nur ein Scherz. Niemand wird Michail fressen.«
    »Ja, ich weiß«, sagte ich, den Blick auf meine Stiefel gesenkt. »Du bist wirklich ein Witzbold.«
    »Komm schon, Alina. Uns passiert nichts.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Sieh mich an.«
    Ich zwang mich, ihn anzuschauen.
    »Glaubst du, ich hätte keine Angst?«, fragte er. »Aber wir werden die Schattenflur unversehrt durchqueren. Du weißt doch, dass wir einen Schutzengel haben.« Er lächelte und mein Herz begann wie wild zu pochen.
    Ich strich mit dem Daumen über die Narbe auf meiner rechten Handfläche und holte rasselnd Luft. »Ja, ich weiß«, antwortete ich mürrisch und musste wider Willen lächeln.
    »Die Dame hat endlich bessere Laune!«, rief Maljen. »Dann kann die Sonne ja wieder scheinen!«
    »Ach, halt den Mund!«
    Ich wollte ihm gerade einen Knuff geben, da packte er mich am Arm. Hufgetrappel und Rufe erfüllten die Luft. Gerade noch rechtzeitig zog mich Maljen von der Straße, bevor eine große schwarze Kutsche an uns vorbeidonnerte. Die Leute stoben auseinander, um den hämmernden Hufen der vier Rappen zu entgehen. Neben dem Kutscher, der eine Peitsche schwang, saßen zwei Soldaten in dunkelgrauen, fast schwarzen Mänteln.
    Der Dunkle. Seine schwarze Kutsche und die Uniformen seiner Leibgarde waren unverkennbar.
    Eine zweite, rot lackierte Kutsche rumpelte gemächlicher an uns vorüber.
    Ich sah zu Maljen auf. Das war haarscharf gewesen. Mein Herz raste. »Danke«, flüsterte ich. Maljen schien plötzlich zu merken, dass er mich in den Armen hielt. Er ließ los und trat hastig zurück. Ich bürstete Staub von meinem Mantel und hoffte, dass er meine geröteten Wangen übersah.
    Eine blau lackierte Kutsche rollte vorbei und ein Mädchen lehnte sich aus dem Fenster. Sie hatte schwarze Locken und trug eine Mütze aus Silberfuchsfell. Sie musterte die Menge, und wie nicht anders zu
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