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Grischa: Der allzu schlaue Fuchs: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)

Grischa: Der allzu schlaue Fuchs: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)

Titel: Grischa: Der allzu schlaue Fuchs: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)
Autoren: Leigh Bardugo
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wurde. Sein Pelz war stets verfilzt und schmutzig und er pflegte sowohl das Futter als auch jene zu verschlingen, die es ihm vorsetzten. Aber mit einem verfressenen Raubtier konnte man reden – mit einem Fangeisen jedoch nicht.
    Koja rief nach dem Bären. »Befreist du mich, Bruder?«
    Als Iwan Gostow sah, dass Koja blutete, lachte er schallend. »Aber gern!«, dröhnte er. »Ich befreie dich aus der Falle und heute Abend fresse ich leckeren Fuchsbraten.«
    Der Bär biss die Kette durch und warf sich Koja auf den Rücken. Ein weniger gewieftes Geschöpf, das mit seinem verletzten Bein in einem Fangeisen festsaß, hätte wohl die Augen geschlossen und um einen raschen Tod gebetet. Doch solange Koja noch Worte fand, gab er die Hoffnung nicht auf.
    Er flüsterte den Flöhen zu, die sich im verfilzten Bärenpelz tummelten: »Wenn ihr Iwan Gostow beißt, dürft ihr ein Jahr lang in meinem Fell leben. Dann dürft ihr euch an meinem Blut laben, ohne dass ich mich kratze oder bade oder mich mit Petroleum abdusche, das verspreche ich. Es wird für euch wie im siebten Himmel sein.«
    Die Flöhe tuschelten untereinander. Iwan Gostows Blut schmeckte nicht besonders gut und er watete immer wieder durch Flüsse oder rollte sich über den Boden, um die Flöhe loszuwerden.
    »Wir helfen dir«, sagten sie schließlich im Chor.
    Auf Kojas Zeichen hin griffen sie Iwan Gostow an und bissen ihn genau dort zwischen den Schultern, wo er mit seinen großen Tatzen nicht herankam.
    Der Bär kratzte sich, schlug auf seinen Pelz ein und brüllte vor Qualen. Er warf das Fangeisen mitsamt Kette und Koja weg und wand und rollte sich auf der Erde.
    »Jetzt, kleine Brüder!«, rief Koja. Die Flöhe hüpften auf seinen Pelz, und Koja rannte trotz des verletzten Beins den ganzen Weg bis zu seinem Bau, wobei er die blutige Kette hinter sich herschleifte.
    Das war kein angenehmes Jahr für den Fuchs, doch er hielt Wort. Der Juckreiz trieb ihn beinah in den Wahnsinn, aber er kratzte sich nicht und umwickelte sogar seine Pfoten, um nicht in Versuchung zu geraten. Obwohl er so abscheulich stank, dass ihn alle Tiere mieden, badete er nicht. Immer, wenn ihn der Drang überkam, zum Fluss zu rennen, warf er einen Blick auf die Kette, die aufgerollt in einem Winkel seines Baus lag. Er hatte das Fangeisen mit Hilfe des Dachses aufgestemmt, bewahrte die Kette jedoch zur Erinnerung daran auf, dass er die Freiheit den Flöhen und seiner eigenen Geistesgegenwart zu verdanken hatte.
    Lula, die Nachtigall, war die Einzige, die ihn besuchte. Auf einem Birkenzweig sitzend, lachte sie trällernd. »Oh, das war gar nicht schlau, Koja. Niemand will mehr etwas mit dir zu tun haben und du hast überall Ausschlag. Du bist noch hässlicher als zuvor.«
    Koja ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Hässlichkeit stört mich nicht«, erwiderte er. »Es gibt nur eines, womit ich nicht leben kann, und das ist der Tod.«
    Sobald das Jahr herum war, pirschte Koja durch den Wald bei Tupolews Bauernhof, wobei er darauf achtete, den Fallen aus dem Weg zu gehen, die im Unterholz versteckt waren. Er schlich über den Hühnerhof, und als eine Magd die Küchentür öffnete, um das Spülwasser wegzuschütten, schlüpfte er in Tupolews Haus. Er zog die Decke mit den Zähnen vom Bett des Bauern und die Flöhe hüpften hinein.
    »Viel Vergnügen, Freunde«, sagte er. »Ich hoffe, ihr seht es mir nach, dass ich nicht noch einmal um euren Besuch bitte.«
    Die Flöhe verabschiedeten sich von ihm und verbargen sich im Bettzeug, überaus zufrieden mit der Aussicht, sich an dem Bauern und dessen Frau mästen zu können.
    Koja stibitzte auf dem Weg hinaus eine Flasche Kwass aus der Speisekammer und ein Huhn vom Hühnerhof und legte beides vor die Höhle von Iwan Gostow. Als der Bär zum Vorschein kam, beschnupperte er Kojas Gaben.
    »Zeig dich, Fuchs«, dröhnte er. »Willst du mich wieder zum Narren halten?«
    »Du hast mich befreit, Iwan Gostow. Du kannst mich gern zu Abend fressen. Aber sei gewarnt, denn mein Fleisch ist zäh und sehnig. Nur meine Zunge ist saftig. Ich bin zwar gute Gesellschaft, aber kein wohlschmeckendes Mahl.«
    Da lachte der Bär so schallend, dass die Nachtigall unten im Tal vom Zweig fiel. Er teilte sich Huhn und Kwass mit Koja und sie erzählten einander die ganze Nacht Geschichten. Von da an waren die beiden Freunde, und jeder, der dem Fuchs eins auswischen wollte, wusste, dass er damit den Zorn des Bären auf sich ziehen würde.
    Dann brach der Winter an und der
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