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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay
Autoren: Das zweite Spiel
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ersten schweren Agonie in seiner Brust zentriert.
    Jeffs gequälter Geist schrie um Erbarmen, doch es wurde ihm keines gewährt; er suchte nach einem Ausweg, ob im Wahnsinn oder im Vergessen, darauf kam es nicht mehr an… Doch er sah noch und hörte und fühlte, blieb sich der ganzen Qual bewußt, blieb ohne Unterbrechung dieser schrecklichen Dunkelheit des Nichtlebens, des Nichttodes ausgeliefert: dem andauernden, paralysierenden Moment des Sterbens.

    »Wir brauchen…« hörte er Linda sagen, »…ein Gespräch.«
    Irgendwo war Schmerz. Er brauchte eine Weile, um dessen Ursprung zu identifizieren: seine Hand, die starr wie eine Klaue den Telefonhörer umklammert hielt. Jeff entspannte seinen Griff, und der Schmerz in seiner verschwitzten Hand ließ nach.
    »Jeff? Hast du gehört, was ich gesagt habe?« Er versuchte zu sprechen, brachte nichts als ein gutturales Geräusch heraus, das halb ein Stöhnen, halb ein Grunzen war.
    »Ich sagte, wir müssen miteinander reden«, wiederholte Linda. »Wir müssen uns zusammensetzen und ein aufrichtiges Gespräch über unsere Ehe führen. Ich weiß nicht, ob an diesem Punkt noch etwas zu retten ist, aber ich glaube, es ist den Versuch wert.«
    Jeff öffnete die Augen, blickte auf die Uhr im Bücherregal:

    1:07 18Okt88

    »Willst du mir nicht antworten? Verstehst du, wie wichtig das für uns ist?«
    Die Ziffern auf der Uhr wechselten lautlos, sprangen um auf 1:08.
    »Ja«, sagte er und zwang sich, die Worte zu bilden. »Ich verstehe. Wir werden miteinander reden.«
    Sie atmete hörbar aus. »Es ist überfällig, aber vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
    »Wir werden sehen.«
    »Meinst du, du könntest heute früher nach Hause kommen?«
    »Ich werd’s versuchen«, sagte Jeff. Seine Kehle war trocken und wie zusammengeschnürt.
    »Ich seh’ dich dann, wenn du heimkommst«, sagte Linda. »Wir haben eine Menge zu bereden.«
    Jeff legte auf, starrte immer noch die Uhr an. Die Anzeige rückte auf 1:09.
    Er berührte seine Brust, fühlte den gleichmäßigen Herzschlag. Am Leben. Er lebte, und die Zeit hatte ihren normalen Fluß wieder aufgenommen.
    Aber war er jemals unterbrochen worden? Vielleicht hatte er einen Herzanfall erlitten, aber nur einen kleinen, gerade so schlimm, um ihn über die Schwelle zum Halluzinieren zu treiben. Dafür gab es Beispiele; er selbst hatte den Vergleich zu einem Ertrinkenden gezogen, der die Ereignisse seines Lebens vor sich ablaufen sieht, hatte etwas Derartiges halb erwartet, als ihn der Schmerz zum erstenmal traf. Das Gehirn war zu erstaunlichen Leistungen der Phantasie und der Zeitkomprimierung oder -dehnung imstande, besonders im Moment einer offensichtlich tödlichen Krise.
    Natürlich, dachte er, und rieb sich erleichtert über die schwitzende Stirn. Das ergab eindeutig einen Sinn, viel eher als die Annahme, er habe all diese Leben wirklich durchlebt, die Erfahrung all dieser…
    Jeff starrte das Telefon an. Es gab nur einen Weg, sich darüber Gewißheit zu verschaffen. Er kam sich ein wenig albern vor, als er die Nummer der Auskunft von Westchester County wählte.
    »Welche Stadt, bitte?« fragte die Telefonistin. »New Rochelle. Eine Eintragung für… Robison, Steve oder Steven Robison.«
    Es folgte eine Pause, ein Klicken in der Leitung, und dann las die computererzeugte Stimme mit gleichgültiger Monotonie die Nummer vor.
    Vielleicht hatte er den Namen des Mannes irgendwo aufgeschnappt, dachte Jeff, vielleicht aus einer unbedeutenden Zeitungsmeldung. Er konnte sich in seinem Gedächtnis festgesetzt, sich Wochen oder Monate später subtil mit seiner Selbsttäuschung verwoben haben.
    Er wählte die Nummer, die ihm der Computer genannt hatte. Ein junges Mädchen meldete sich, die Stimme belegt von verstopften Nebenhöhlen.
    »Ist… äh… deine Mutter zu Hause?« fragte Jeff das Kind. »Einen Moment. Mammi! Telefon!«
    Eine Frauenstimme ertönte in der Leitung, gedämpft und verzerrt, atemlos. »Hallo?« sagte sie.
    Es war schwer zu sagen, sie atmete in so raschen, flachen Stößen. »Spreche ich mit… Pamela Robison? Pamela Phillips?«
    Schweigen. Sogar das Atmen hörte auf.
    »Kimberly«, sagte die Frau. »Du kannst den Hörer jetzt auflegen. Es ist Zeit, daß du noch eine Contac und etwas Hustensaft einnimmst.«
    »Pamela?« sagte Jeff, als das Mädchen den Hörer aufgelegt hatte. »Hier ist…«
    »Ich weiß. Hallo, Jeff.« Er schloß die Augen, tat einen tiefen Atemzug und stieß die Luft langsam wieder aus. »Dann ist… es
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