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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay
Autoren: Das zweite Spiel
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versäumt hatte. Sie und Matthew wären nicht mehr die gleichen Menschen, die sie früher einmal gewesen waren, sagte Lydia; sie habe das Gefühl, ihm entwachsen zu sein.
    Jeff ließ sie sich aussprechen, all die abgedroschenen Kümmernisse und Sehnsüchte der Jugend, die für sie so überwältigend neu und in ihrem Leben von beispielloser Wichtigkeit waren. Ihr fehlte der nötige Weitblick, um zu erkennen, wie absolut gewöhnlich ihre Geschichte war, auch wenn sie vielleicht einen Schimmer dieses Bewußtseins besaß, da sie schließlich ihrem dringenden Wunsch Ausdruck gab, sich aus dem Klischee zu befreien, zu dem ihr Leben geworden war.
    Er bemitleidete sie, sprach mit ihr eine Stunde lang oder länger über das Leben und die Liebe und Unabhängigkeit… sagte ihr, sie müsse ihre eigenen Entscheidungen treffen, sagte, sie müsse lernen, etwas zu riskieren, sagte all die naheliegenden und notwendigen Dinge, die man jemandem sagen mußte, der zum erstenmal in seinem Leben eine allgemein-menschliche Krise erlebte.
    Ein Windstoß vom offenen Fenster brachte ihr Haar durcheinander, wehte ihr das Band vom Hut ins Gesicht. Lydia wischte es weg, und Jeff entdeckte etwas unerklärlich Anrührendes in dieser Geste, in der mädchenhaften Weise, wie sich ihre Hand bewegte. In ihrem angeregten Gesicht sah er plötzlich ein Spiegelbild Judy Gordons und Lindas an jenem Tag, als sie ihm die Gänseblümchen gebracht hatte: leuchtendes Versprechen, den Schmuck noch unausgereifter Träume.
    Sie tranken ihre Drinks aus, und er begleitete sie zu einem Taxi. Als sie in das Taxi stieg, sah sie zu ihm auf und sagte mit dem ganzen Optimismus und der scheinbaren Unbegrenztheit der Jugend: »Ich glaube, es wird alles gut; ich meine wir haben eine Menge Zeit, um es zu schaffen. Wir haben soviel Zeit.«
    Jeff kannte diese Illusion, kannte sie nur allzu gut. Er schenkte der jungen Frau ein halbherziges Lächeln und sah sie wegfahren in Richtung Leben, und das lange rosafarbene Band flatterte ihr nach.

    Der Pendlerzug nach Metro North kam absolut pünktlich zum Halten, bemerkte Jeff von seinem Standort dreißig Meter weiter den Bahnsteig hinunter. Um diese Tageszeit war »Pendlerzug« keine zutreffende Bezeichnung, dachte er; nicht viele Geschäftsleute würden den 11-Uhr-Zug in die City genommen haben.
    Jeff ging entschlossen den Bahnsteig entlang, als wäre er soeben aus einer anderen Linie ausgestiegen. Er verlangsamte seinen Schritt ein wenig, als er am Zug aus New Rochelle vorüberkam und sah, daß er recht gehabt hatte: Unter den aussteigenden Fahrgästen waren eine Reihe von Frauen, die für einen Einkaufsbummel gekleidet waren, ein Haufen Collegestudenten, doch fast niemand mit Anzug und Krawatte und Aktentasche.
    Sie stieg als eine der letzten aus. Er hätte sie beinahe verpaßt und hatte sich bereits gefragt, ob die Auskunft richtig war, die man ihm gegeben hatte. Sie war hübsch gekleidet, doch ohne die fanatische Aufmerksamkeit fürs Detail, die typisch war für die Frauen, die zu Bendel’s oder Bergdorfs unterwegs waren. Ihre Schuhe mit flachen Absätzen dienten ausschließlich der Bequemlichkeit, und ihr blaßblaues Leinenkleid und der helle Pullover hatten etwas anziehend Praktisches an sich.
    Jeff paßte sich zwanzig oder dreißig Schritte hinter ihr ihrem Tempo an, während sie die Rampe hinauf und in die riesige Haupthalle der Grand Central Station hineinging. Er hatte Angst, sie in der Menge zu verlieren, doch ihre Größe und das unverwechselbare blonde Haar halfen ihm dabei, sie im Auge zu behalten, während sie sich im Zickzack auf unterschiedlichen Wegen durch die Menschenmassen bewegten.
    Sie ging die breite Treppe hoch, die zum Pan Am Building führte, und Jeff fiel ein wenig zurück, während er ihr durch die weniger überfüllte Lobby folgte und hinaus auf die Fünfundvierzigste Straße Ost. Sie überquerte die Park Avenue, ging am Roosevelt Hotel vorbei und über den Madison Square zur Fünften Straße, wo sie sich nach Norden wandte. Den Schaufenstern bei Saks und Cartier schenkte sie nur kurz ihre Aufmerksamkeit; Jeff wurde dann langsamer und heuchelte Interesse an einer Pauschalreise der Korean Airlines oder den abgestimmten Garnituren von Mark Cross-Koffern.
    Sie wandte sich auf der Dreiundfünfzigsten Straße wieder nach Westen und betrat das Museum of Modern Art. Die Detektivagentur, die Jeff sechs Wochen zuvor angeheuert hatte, hatte recht gehabt, wenigstens was den heutigen Tag betraf: Jeden Dienstag,
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