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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
Autoren: Unbekannter Autor
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Entfernung schon ganz klein aus, und er rannte schneller.
    Es schien ewig zu dauern, Felder und Himmel waren voller Leben, und er war spät dran. Sie war schon oben in dem alten Baum gewesen und nun wieder auf dem Erdboden.
    Sie war schlimmer als Hunde, ihr Zorn war zwar eingezwängt, wirbelte aber wie ein dunkler See. Da, ein anderer Geruch, ein anderes Geräusch. Den hatte er schon einmal gerochen, das hatte er schon einmal gehört - den plötzlichen Schlag und das Zischen.
    Dann drehte sie sich um und ging zurück, und der Saum des hohen Grases schloß sich hinter ihr wie die Wellen hinter einem Schiff.
    Flitzen, Flüchten, Rennen. Mäuse, Rotkehlchen, Wiesel. Eines Tages würde er für all das Zeit haben, aber jetzt nicht.
    Er raste auf das Haus zu.
    Alex stand am Waschbecken und aß ein fades Sandwich: ein Klumpen Käse zwischen dicken Brotscheiben. Es war keiner da. Das einzige Geräusch, das er registrierte, war das Ticken der Standuhr drüben am Kamin.
    Er blickte auf das Feld hinaus und dachte an seine Mutter. Er gab der tödlichsten aller Phantasien nach. Wie sein Leben hätte sein können, wenn ...
    R. Jury. Superint. Er kaute und phantasierte. Was, wenn seine Mutter ihn geheiratet hätte und ein Superintendent von Scotland Yard sein Stiefvater geworden wäre?
    Er sah in das Spülbecken und warf beschämt das Sandwich hinein. Das war ein Kleinkinderwunsch.
    Er starrte nach unten und versuchte, den alten Alex zurückzuholen, den, auf den man sich verlassen konnte, der ihm aber jetzt zu entfliehen schien. Er war kein kleines Kind, dachte er und zwinkerte wütend mit den Augen.
    Alex schluckte und sah durch das Fenster, wie der Kater durch das Gras zur Küche gesaust kam.
    Hexer? Er machte die Tür auf, ging durch den vollgestopften Vorflur und hinaus.
    Hexer sauste wie ein Pfeil auf ihn zu, dann drehte er sich um und raste zurück. Hin und zurück, hin und zurück.
    Alex folgte ihm.
    Den Baum hoch. Sich umsehen. Jesus Christus ! »Hexer?«
    Der Kater flog fast durch die Luft, wie auf einer Leiter, und rannte in Richtung Castle Howe.
    Alex folgte ihm stolpernd durch das lange Gras.
    Der Parkplatz vom Old Contemptibles war gerade groß genug für drei Autos. Ein Jaguar XJ12, ein Modell von diesem Jahr, schwarzglänzend, drängte Plants kleinen Japaner fast zur Seite; das Nummernschild war allein schon ein Vermögen wert. Die Buchstaben lauteten:
    F A G.
    Es war eine Spezialanfertigung - mit einem zusätzlichen G, man las also FANG, Vampirzahn. Sehr professionell, sehr illegal. Jury sah es an und schüttelte langsam den Kopf.
    Er hatte nicht geglaubt, daß ihn jemals wieder irgend etwas zum Lächeln bringen konnte. Das hier schon.
    »Superintendent!« rief Marshall Trueblood. »Sie hat darauf bestanden; wir haben aus Long Pidd angerufen; hier sind wir; Agatha hat nur noch unsere Rücklichter gesehen.«
    Die Stammgäste hatten sich mittlerweile an Melrose den Bibliothekar gewöhnt. Aber mit diesen beiden Neuzugängen war es etwas anderes. Wiggins stand am Tresen und war gerade dabei, O. Bottemly davon zu überzeugen, ihm irgendein medizinisches Gebräu zu mixen.
    Er hatte Vivian Rivington ewig nicht gesehen, und ihr Gesicht, an das er sich manchmal ganz genau und manchmal nur verschwommen erinnerte, war plötzlich doppelt so schön. Es war, als hätte sie den Zug im Januar nie bestiegen. Sie hatte dasselbe cremefarbene Wollkleid an, das sie getragen hatte, als Jury sie das letzte Mal gesehen hatte, und erhob sich geschmeidig von dem Stuhl; sogar der breitkrempige Hut lag auf dem Tisch neben ihrem Glas Sherry. Jury wußte, daß sie am liebsten auf ihn zugerannt wäre, aber wie es für sie typisch war, beherrschte sie sich und blieb einfach stehen.
    Wenn Vivian ein Bild war, war Marshall Trueblood eine Inszenierung: Jackett aus Lamawolle, graues Crepe-de-Chine-Hemd, aus dessen Kragen ein jadegrünes Tuch hervorlugte, das zu seiner Sobranie paßte, Kalbsledermokassins mit Fransen. Auf Armani hatte Trueblood vorläufig verzichtet, vielleicht fand er, daß italienisches Blut zu heiß für den Lakes District war.
    »Vivian«, sagte Jury, der meinte, sein Lächeln im ganzen Körper zu spüren.
    Aber sie rang die Hände, als ob sie sich für etwas entschuldigen müsse, und sagte: »Als sie mir in Venedig erzählt haben, daß sie hei-«
    »Einen Drink, einen Drink«, schrie Trueblood, als ob sie alle in der Wüste gestrandet seien. Er stand auf und schob Vivian vor sich her - ziemlich unsanft, fand Jury.
    Sie fuhr fort:
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