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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
Autoren: Unbekannter Autor
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stetigen Ticken der Standuhr und dem gelegentlichen Aufsprühen und Zischen eines zerfallenden Holzscheits im Kamin.
    Es gab keinen Grund, warum er nicht sein Bier nahm und sich in die eigentliche Lounge und damit näher ans Feuer setzte. Ja, da sie jetzt die einzigen Gäste waren, wäre es nur natürlich gewesen, wenn er die schwarze Katze mit irgendeiner Bemerkung - typisch für Katzen, immer beanspruchen sie den besten Platz im Haus - vertrieben hätte.
    Aber sie hatte etwas an sich, das eine solche Annäherung verbot; sie wirkte völlig versunken, jedoch nicht in das Buch (in dem sie noch keine Seite umgeblättert hatte), sondern wie schon vorhin im Museum in ihre eigene, private Welt. Als sie über den Rand des Buches an ihm vorbeiblickte, kam es ihm vor, als betrachtete sie irgendeine innere Landschaft und stellte mit gekräuselter Stirn fest, daß der etwas abging, etwas fehlte.
    Dann kehrte sie zu ihrem Camus zurück, zu derselben Seite. Ohne Mantel wirkte sie schmaler. Eine Hand umklammerte die Handtasche, die sie noch immer bei sich hatte, die andere hielt das Buch so, daß es ihr Gesicht verdeckte. Das Gelenk der eleganten Hand - lange, spitz zulaufende Finger - war etwas knochig, das Goldarmband halb den Arm hochgerutscht; der Goldreif an ihrem Finger saß locker.
    Sie trug ein Kostüm aus Schantungseide mit Faltenrock und kurzer Jacke, sehr schlicht und (dachte er) sehr teuer. Das diffuse Licht von Lampe und Feuer verlieh Kostüm und Haar den gleichen hellen Umbraton.
    So saßen sie wohl zwanzig Minuten lang. Als die Uhr elf schlug, blickte sie auf. Vom öffentlichen Ausschank her hörte Jury, daß der Pubbesitzer um die letzten Bestellungen bat. Sie klappte ihr Buch zu, legte es neben die Handtasche, und er dachte schon, daß sie aufstehen und gehen wollte. Aber sie blieb sitzen.
    Man hörte, wie die Gäste aus der Bar zu dem kleinen Parkplatz gingen; ein paar nahmen dabei den Weg durch die Lounge.
    Dann tauchten die Scheinwerfer eines Autos das Fenster in blendende Helle, bevor sie ausgeschaltet wurden. Eine Tür schlug zu, und Jury hörte Schritte, die sich auf dem Flur näherten.
    Sie saß irgendwie steif und altjüngferlich da, seit sie das Buch beiseite gelegt hatte - die Hände im Schoß gefaltet, die Füße dicht nebeneinander.
    Ein Mann kam zur Tür herein - ein Mann, der so geschmackvoll und teuer gekleidet war wie sie. Er mochte Ende Vierzig sein und wirkte fit, wie jemand, der richtig Sport trieb (was Jury nie schaffte) und regelmäßig ins Solarium ging. Ein gleichgültiger Blick streifte Jury.
    Er schien ganz auf die Frau konzentriert, die jetzt aufstand, nein, sich hochstemmte wie ein älterer Mensch, der nur noch mit Mühe aus dem Sessel kommt. Ihre Handtasche hielt sie immer noch umklammert.
    Keine Begrüßung, kein Händedruck, Kuß oder wenigstens ein Lächeln auf beiden Seiten. Der Besucher nahm Platz, ohne den Mantel, einen dunklen Chesterfield, abzulegen, knöpfte ihn jedoch auf, ehe er den Arm lässig auf die Sofalehne legte. Die feingeschnittenen Züge, die Maßkleidung, die Eleganz seiner Bewegungen, all das wies ihn als Gentleman aus. Und doch stand die Frau immer noch, während er bereits saß. Wenn Jury nicht schon aus seinem ganzen Auftreten geschlossen hätte, daß der Besucher auf sehr intimem Fuß mit ihr stehen mußte, dann aus diesem Mangel an guten Manieren. Jetzt sagte er etwas, und sie setzte sich mit resignierter Miene.
    Irgendwie merkwürdig, fand Jury, daß er alle äußeren Details ihrer Person, bis hin zu ihrem Ehering, betrachten konnte und doch nicht nahe genug saß, um die Worte zu verstehen, die zwischen ihnen gewechselt wurden. Der Mann redete leise, aber hastig. Sie warf in seinen gedämpften Redefluß nur hin und wieder ein Wort ein, das wie die zwischen ihrem Körper und der Armlehne eingeklemmte Handtasche wirkte. Sie unterbrach ihn, wenn sie in seinem Wortschwall das leiseste Anzeichen für eine Pause entdeckte; und selbst dann hob er noch die Hand und gebot ihr Schweigen.
    Daß ihr seine Worte ganz und gar nicht zusagten, war an ihrer steinernen Miene zu merken; sie wandte den Blick ab, starrte ins Feuer und ließ ihn wieder zurückschweifen, als könnten ihre Augen nirgendwo einen Ruhepunkt finden. Im Feuerschein bekamen ihre hellroten Lippen etwas Goldenes, und ihr Mund wirkte wie aus Marmor gemeißelt. Sie sah unnachgiebig, unbeugsam aus.
    Nachdem er sein Teil gesagt oder seinen Standpunkt oder was auch immer klargemacht hatte, lehnte er sich
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