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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
Autoren: Unbekannter Autor
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hoffte Jury, denn er konnte einen Schluck gebrauchen) zum Salon dort, nicht zum öffentlichen Ausschank. Doch sie ging an dem Hotel vorbei und blieb statt dessen vor einem schmalen Haus stehen. »Spielzeugmuseum« stand daran. Sie trat ein.
    Jury betrachtete die Fassade und dann das dämmrige Innere, wo sie eine Eintrittskarte löste. Allmählich kam er sich nicht nur albern, sondern wie ein Voyeur vor. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war er keinem gutaussehenden weiblichen Wesen mehr nachgelaufen, außer wenn ein Fall, den er bearbeitete, es erforderlich machte, und auch das war schon einige Jahre her, denn diese Art Laufarbeit machten jetzt andere für ihn.
    Die kleine Diele, eher ein Vorraum, quoll über von winzigem Spielzeug - Kreisel, Holzfiguren, Süßigkeiten und Souvenirs drängten sich auf den Regalen. Hinter dem Verkaufstisch hockten ein freundlicher junger Mann in einem Dallas-Cowboys-Sweatshirt und eine junge Frau, die anscheinend alle Hoffnung hatte fahrenlassen; sie ähnelten -er mit seiner fröhlichen und sie mit ihrer traurigen Miene - der Doppelmaske von Komödie und Tragödie. Das Mädchen konnte es einfach nicht fassen, daß schon wieder jemand, der älter war als zehn, fünfzig Pence für den Eintritt springen ließ und sich das ausgestellte Spielzeug ansehen wollte. Der Mann lächelte beifällig, weil ein Erwachsener noch seinen Spaß daran hatte. Jury erwiderte das Lächeln und reichte ihm das Geld für den Eintritt.
    In diesem Augenblick kam ein bleichgesichtiger Junge mit strohiger Igelfrisur aus einem der inneren Räume in den Vorraum; er runzelte die Stirn, als hätte er sein Geld für nichts und wieder nichts ausgegeben. Die junge Frau erbarmte sich; sie merkte, daß etwas nicht stimmte, und erklärte dem Jungen, er solle zurückgehen und den Knopf drücken. Jury wurde von ihr in ähnlicher Weise unterwiesen, für den Fall, daß auch er zu beschränkt war, um die elektrische Eisenbahn in Gang zu bekommen. Und die funktionierte nun einmal nicht, wenn man nicht den Knopf drückte.
    Er bedankte sich und folgte dem Jungen ins Museum.
    Sie stand am Ende des schmalen Ganges zwischen den von der Decke bis zum Boden verglasten Schränken, die vollgestopft waren mit Überbleibseln aus der Kindheit: Stoffpuppen und Porzellanpuppen; aufwendige Puppenhäuser; mechanisches Spielzeug und Holzspielzeug.
    Er fragte sich, ob der Junge, der ganz hinten neben ihr vor der aufgebauten Eisenbahn stand, das alles wirklich zu würdigen wußte. In gewisser Weise war es ein Museum für Erwachsene. Jury betrachtete die Nachbildung eines Wolkenkratzers aus Stabilbausteinen, und da fiel ihm wieder ein, wie sehr er sich einmal einen solchen Baukasten gewünscht hatte. An der Wand gegenüber stand ein Puppenhaus, so ausgeklügelt, wie er es noch nie gesehen hatte. Nach vier Seiten hatte es möblierte Zimmerchen; vermutlich war es so konstruiert, daß es sich auf einem mechanischen Rad drehte. Es gab sogar ein Billardzimmer, einen grünen Billardtisch mit zwei Spielern. Einer davon hielt sein Queue, während der andere sich über den Tisch beugte.
    Und während er diesen Katalog einer Kindheit betrachtete, drang von ferne das leise Summen der Züge in sein Bewußtsein. Der flachshaarige Junge hatte den Mechanismus in Gang gesetzt.
    Sie kehrten ihm den Rücken zu, der Junge und die Frau im Kaschmirmantel, standen dort nebeneinander. Hätte der Bengel nicht dringend ein heißes Bad benötigt, wohingegen sie teuer aufgemacht war, man hätte sie für Mutter und Sohn halten können, blaß und blond wie sie waren. Die Züge fuhren rundherum, und die beiden standen da in einer Art kameradschaftlichem Schweigen und sahen ihnen zu. Anscheinend bekam es der Junge als erster satt; er kam durch den Gang zurück, drängelte sich an Jury vorbei und trollte sich, noch immer mit gekräuselter Stirn, als stammten die Züge, die winzigen Zubehörteile und Miniaturgebäude und vielleicht auch die Spielzeugmenschen und -tiere für ihn aus der Mottenkiste.
    Sie jedoch blieb stehen und drückte noch einmal den Knopf, der die Eisenbahn wieder in Gang setzte. Er konnte nur ihren Rücken und im Glas einen ganz schwachen Abglanz ihres Gesichtes sehen.
    Dann machte sie eine eigenartige Geste. Sie hob die behandschuhte Hand, legte sie mit gespreizten Fingern aufs Glas und lehnte die Stirn dagegen.
    Es war, als betrachte sie etwas, das sie einst so heiß begehrt hatte wie er den Stabilbaukasten.
    Auf einmal schämte sich, Jury zutiefst, kam sich
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