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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
Autoren: Unbekannter Autor
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bis auf die Bedienung und eine dunkelhaarige Frau mit kalten Augen, die an einem Tisch am Fenster saß. Jury nahm am Tresen Platz. Vor dem riesigen Spiegel waren Glasregale angebracht, auf denen sich ein Sortiment an Spirituosen befand, das jedem Pub Ehre gemacht hätte.
    Eine hübsche Kellnerin mit großen, dunklen, gefühlvollen Augen kam zu ihm herüber und nahm seine Bestellung auf: Kaffee, einfach schwarz. An wen erinnerte sie ihn? An irgendeine Schauspielerin? Sie brachte den Kaffee, und er nahm einen kleinen Schluck, ein starkes Gebräu, schwarz wie die Sünde, und ließ die Ereignisse des Vormittags noch einmal Revue passieren. Wäre es ein anderer als Mickey gewesen -nein. Hätte Mickey oder sonst jemand ihn unter anderen Umständen darum gebeten, er hätte abgelehnt. Er wollte nicht mehr über den Krieg nachdenken. »Zu stark, der Kaffee?«, erkundigte sich die Kellnerin mitfühlend, als wäre es allein ihre Schuld. »Ein bisschen schon, ja.« Er ersetzte seinen vermutlich kaffeeschwarzen Gesichtsausdruck durch ein Lächeln.
    »Der steht noch gar nich lang. Ich mein, der is ganz frisch, grade erst gebrüht.« Sie zuckte unmerklich die Achseln. »Unser Kaffee, der is eben so.« Sie starrte die schlimme Tasse an. »Ich könnte 'n bisschen heißes Wasser reintun.« In ihrem Gesicht regte sich leise Hoffnung.
    »Nein, aber wissen Sie, was? Geben Sie mir einen Schuss von dem Zeug da.« Er deutete auf das Regal mit den Spirituosen. »Von dem Glen Grant.«
    Sie nahm die Flasche herunter, holte ein Whiskyglas unter der Theke hervor und schenkte ein. »Das peppt ihn auf«, sagte sie, während sie ihm das Whiskyglas hinschob.
    Jury kippte den Inhalt in die Tasse, nahm einen Schluck und erklärte es für viel besser. Dann fragte er: »Ist es an den Wochenenden immer so leer hier?« Der einzige andere Gast war die Brünette mit dem eisigen Blick. Für Jury sah es so aus, als rauchte sie die letzte Zigarette auf der Welt.
    »Ja, das liegt daran, dass hier in der Gegend niemand wohnt, wissen Sie. Ich mein, außer in den Docklands, aber die gehören ja nicht richtig zur City.«
    »Noch nicht, aber bald. All die neuen Eigentumswohnungen.«
    Die Brünette am Fenster machte ihr ein Zeichen, und die Kellnerin ging an ihren Tisch hinüber. Jury nahm den Umschlag aus der Tasche und legte die Fotos nacheinander auf dem Tresen aus. Er ordnete sie möglichst chronologisch an: das Pub, Kitty Riordin, die junge Alex. Er lächelte. An sie erinnerte ihn die Kellnerin! Er betrachtete Alexandra Herrick mit ihrem Baby Maisie, dann das Jagdflugzeug und den in die Sonne blinzelnden jungen Piloten. Er hielt inne und dachte an seinen Vater. Der war auch bei der Royal Air Force gewesen, hätte diese Spitfire fliegen, sogar ein Freund von Ralph Herrick sein können. Die Gesichter selbst sagten ihm nichts. An das Gesicht seines Vaters konnte Jury sich nicht erinnern - wie alt war er damals gewesen? Aber das Flugzeug, das in Richtung Erde trudelte, hatte er immer vor sich. In Wirklichkeit hatte er es natürlich nicht gesehen, doch im Kopf hatte er es so vor sich, und nichts und niemand hätte an diesem Bild etwas verändern können.
    Nachdem seine Mutter gestorben war, kam das Jugendamt, allzeit bereit, wie ein Raubvogel herabzustoßen und wieder ein Kind unter seine Fittiche zu nehmen. Dann kam die Zeit im Waisenhaus - Good Hope, hieß es, Gute Hoffnung. Komisch, dass er sich an dieses Detail erinnerte, so viel anderes aber vergessen hatte. Zuerst hatte ihn ein gütiger Onkel aufgenommen. Nachdem der gestorben war, kam Good Hope. Irgendwie erinnerte er sich, fünf oder sechs Jahre dort gewesen zu sein. Doch als er jetzt versuchte, sich diesen Zeitabschnitt wieder in Erinnerung zu rufen, war er sich absolut nicht mehr sicher - es hätten auch fünf oder sechs Monate gewesen sein können. Er sah eine Reihe schmaler Betten vor sich, deren Laken so straff gespannt waren, dass ein Kind darauf herum hopsen konnte. Er hopste jedoch nicht, sondern saß bloß still in einer Ecke auf seinem eigenen Bett. Er versuchte sich zu entsinnen, ob er mit den Füßen bis zum Boden gereicht hatte, denn das hätte ihm verraten, wie alt er damals war. Wie lang war er dort gewesen?
    Er dachte an seine Cousine in Newcastle, die Tochter des freundlichen Paars, der es damals nicht so recht gepasst hatte, dass er zu ihnen kam. Ob seine Cousine, heute wie früher ein verbitterter Mensch, ihm das mit den sechs Jahren eingeredet hatte? Er könnte sie anrufen und fragen. Er
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