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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
Autoren: Unbekannter Autor
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und den Gegenmittelchen zurück, wovon einige Fläschchen auf seinem Schreibtisch aufgereiht standen. Wiggins begutachtete seine Sammlung in aller Ruhe, entschied sich für eine zähe, rosafarbene Flüssigkeit und drückte ein paar Tröpfchen davon in ein halbes Glas Wasser, was er sodann mit leicht kreisenden Bewegungen vermengte.
    »Wir haben Weihnachten doch Dienst, zumindest am Weihnachtsmorgen«, sagte er. »Ich bin wahrscheinlich erst zum Abendessen in Manchester.«
    »Mann, fahren Sie doch einfach los. Ich kann doch für Sie einspringen.«
    Wiggins schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, das wäre nicht fair. Nein, ich bleibe schon hier. Weihnachten ist vielleicht der Teufel los, wenn die Leute beschließen, sich gegenseitig die Nase einzuschlagen. Manche Kerle wissen nichts Besseres mit einem Feiertag anzufangen, als sich eine Knarre zu schnappen.«
    Jury lachte. »Stimmt. Vielleicht haben wir ja am Weihnachtstag Zeit für ein tolles Mittagessen bei Danny Wu. Der hat feiertags nie geschlossen.« Ruiyi war das beste Restaurant in Soho.
    Es wurde still, lautlos fiel der Schnee. Jury überlegte, was er Wiggins schenken sollte. Irgendein medizinisches Fachbuch, in dem womöglich sogar Rilkes »Blutkrankheit« beschrieben war, sofern dieser überhaupt daran erkrankt war. Ein Dornenstich. O Rose, so betrübt! Er versuchte, sich an die letzten vier Zeilen dieses kurzen Gedichts zu erinnern, doch sie wollten ihm einfach nicht mehr einfallen.
    Wiggins hatte sich wieder der Zeitung zugewandt. »Jetzt wollen sie die alten Gaswerke in Greenwich abreißen. Um dieses Riesending hochzuziehen, den Millennium Dome, von dem jetzt andauernd die Rede ist.«
    Jury wollte nichts davon hören und auch nicht darüber reden. Wiggins war ganz versessen auf das Thema. »Das dauert noch, Wiggins. Warten wir's ab und lassen wir uns überraschen.«
    Wiggins musterte ihn skeptisch, nicht wissend, was er von diesem rätselhaften Kommentar halten sollte.
    Jury stand auf, zog seinen Mantel an und nahm den Ordner mit Haggertys Bericht vom Schreibtisch. »Ich fahre in die City. Falls Sie mich brauchen, ich bin bei Mickey Haggerty auf der Polizeistation Snow Hill.«
    »Ist gut.« Wiggins trank sein rosa Zeug und wandte sich zum Fenster. Als Jury schon fast draußen war, sagte Wiggins vor sich hin: »Klingt fast wie aus einem Märchen.«
    »Was denn? Der Millennium Dome?«
    »Nein, nein, nein. Diesen Rilke meine ich. Wie die Prinzessin, die sich beim Spinnen in den Finger gestochen hat und in einen tiefen, tiefen Schlaf fällt. Am Stich eines Rosendorns zu sterben.« Er sah Jury an. »Irgendwie ein atemberaubender Tod, nicht?«
    »Darauf könnte ich gut und gerne verzichten, Wiggins. Bis dann.«
2
    In der City von London hatte an Wochenenden noch nie geschäftiges Treiben geherrscht. Hier, im Herzen der Londoner Finanzwelt, war alles wie ausgestorben.
    Jury verließ die Untergrundstation Tower Hill, blieb stehen und sah zur Lower Thames Street hinüber. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal vor dem Tower von London gestanden hatte. Die Touristen knipsten Fotos, ein paar hatten Wegwerfkameras, andere etwas anspruchsvollere Apparate. Vor Weihnachten waren immer besonders viele Touristen in der Stadt. In der Fenchurch Street kam er an einem indischen Restaurant vorbei, und wenn das geschlossen war, konnte er eigentlich wetten, dass alles andere ebenfalls zu war.
    Bis auf die Polizeistation Snow Hill natürlich. Ein unglücklich dreinblickender Constable hatte hinter dem Auskunftsschalter Dienst und schien beinahe dankbar, dass Jury nichts weiter wollte als die Wegbeschreibung zu Haggertys Büro. Detective Chief Inspector Haggerty? Hier durch, da entlang, dort ist seine Tür. Jury dankte ihm.
    Haggerty saß an seinem Schreibtisch und betrachtete Polizeifotos, als Jury hereinkam. Mickey Haggerty stand auf und kam um den Schreibtisch herum, um Jury die Hand zu schütteln und ihn ein paarmal freundschaftlich an die Schulter zu knuffen. Es war mehr als ein Handschlag und weniger als eine Umarmung. Jury hatte Mickey Haggerty und dessen Frau Liza seit Jahren nicht mehr gesehen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich schon so lange nicht mehr bei seinem alten Kollegen gemeldet hatte. Aber das lag ja wohl nicht nur an ihm, oder? Mickey hatte es sich zum Teil selbst zuzuschreiben.
    Kein Polizist (dachte Jury) war bei der Arbeit so in seinem Element wie Mickey Haggerty Er passte so kantengenau hinein wie ein Pflasterstein auf einem frisch
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