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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
Autoren: Unbekannter Autor
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»Altes Hutzelweibl«, hatte sie die alte Dame genannt. Das rothaarige Mädchen versetzte ihn in Angst und Schrecken. In Angst und Schrecken.
    Auch der Salon der alten Dame - denn dort standen überall Fotos von toten Soldaten. Er wusste, dass einige tot waren, denn um zwei Rahmen hatte sie schwarze Samtbänder drapiert und vor anderen kleine Kerzen aufgestellt. Er verbrachte viel Zeit damit, die Gesichter dieser Männer eingehend zu betrachten, die alle in Uniform und alle jung waren. Ob von den anderen, denen, die noch am Leben sein mussten, wohl einer sein Vater war, fragte er sich. Zumindest einer hätte es sein können, denn er trug die Uniform eines Piloten der Royal Air Force. Vielleicht hatte seine Mutter es hier aufstellen lassen, wo Richard es betrachten konnte, wann immer er wollte.
    Der Wildfang, das rothaarige Mädchen, hatte ihnen von den Fotos erzählt, hatte sie sich hinsetzen lassen, während sie sie nacheinander hochhob und ihnen erzählte, wer der Abgebildete war. Als sie zu dem kam, der sein Vater hätte sein können, rutschte er vom Stuhl und erzählte allen, wer dieser Jagdflieger war. Sie lachten und lachten.
    »Dann ist er tot! Piloten sterben viel öfter, weil es gefährlicher ist!«
    Nicht wahr, schrie Richard. Er steuerte immer noch sein Flugzeug.
    »Es ist abgestürzt-« Ihre Hand beschrieb eine Spiralbewegung in Richtung Boden.
    Richard war außer sich. Er hätte die Wut, die nun in ihm hochstieg, genauso wenig beherrschen können, wie er die Hurricane hätte fliegen können - er ging auf sie los. Das laute Geschrei alarmierte die alte Dame. Das Mädchen kreischte, und die alte Dame stürzte sich auf die beiden ineinander verkeilten Gestalten, riss Richard weg und hätte ihn um ein Haar in den kalten Kamin geschleudert.
    »Was geht hier vor? Was ist los?«
    »Nichts«, hatte das rothaarige Mädchen gesagt. »Wir spielen bloß.«
    Immerhin, dachte er jetzt, hatte es damals einen gewissen Ehrenkodex gegeben. Untereinander mochten sie streiten, gegen die alte Dame standen sie jedoch zusammen. Von Schluchzern und Wut geschüttelt, hatte er im Bett gelegen. Später hatte er sich in den Salon geschlichen, das Foto des Fliegers geschnappt, der vielleicht sein Vater war, und es mit hinauf in sein Zimmerchen genommen. Er hatte an seinem Dachgaubenfenster gestanden und in den schwarzen, mit Sternen übersäten Himmel geschaut. Dabei hatte er sich ausgemalt, wie sie explodierten und sich in silberne Trümmerstücke verwandelten, und sich gefragt, ob das Flugzeug seines Vaters jetzt wohl dort oben war. Die Spiralbewegung fiel ihm wieder ein, die die Hand des rothaarigen Mädchens gemacht hatte, bis auf den Fußboden hinunter. Seinem Vater würde das nicht passieren. Manche Menschen werden von Gott wie an Strippen hochgehalten, und sein Vater war sicher einer davon.
    An das alles hatte Jury schon lange nicht mehr gedacht. Mickey hatte es ihm mit seinen Fotos wieder ins Gedächtnis gerufen -und mit dem Rätsel um Maisie Tynedale. Er nahm die Aufnahme mit dem Jagdgeschwader und erinnerte sich an die Abwärtsspirale ihrer Hand. Was wohl aus ihr geworden war, fragte er sich, aus dem Mädchen mit dem flammend roten Haar.
    Er spürte eine hauchzarte Berührung an der Wange und blickte auf. Die Kellnerin hatte sein Gesicht mit einer Serviette oder vielleicht ihrem eigenen Taschentuch berührt.
    »Es is bloß die eine Träne.« Mit einem unsicheren Lächeln streckte sie ihm das Taschentuch hin. Er erwiderte ihr Lächeln. »Ich weine doch nicht etwa, oder?«
    Sie hob die Flasche Glen Grant in die Höhe, die sie zusammen mit der Kaffeekanne gebracht hatte, und er nickte und hielt ihr sein Whiskyglas hin, dann schob er die Tasse hinüber. »Danke.«
    Mit einer leichten Kopfbewegung zu den Fotos vor ihm auf dem Tresen sagte sie: »Es sind wahrscheinlich die traurigen Bilder. Sehen aus, wie wenn sie alt wären, die Fotos.«
    »Sind sie auch.« Er drehte das von Alexandra Tynedale und ihrem Baby herum, damit die Kellnerin es sehen konnte. »Ich überlege schon die ganze Zeit, an wen Sie mich erinnern.« Er tippte mit dem Finger auf den Schnappschuss. »An sie.«
    Die Kellnerin lächelte. »Man sagt mir immer, ich seh aus wie Vivien Leigh. Das war so eine Schauspielerin, is schon lang her. Ich kenn bloß Fotos von ihr, ihre Filme hab ich nie gesehen. Erinnern Sie sich an sie? War sie wirklich so schön?« Sie errötete, weil sie damit nicht hatte sagen wollen, sie selbst sei schön.
    »O ja, ich erinnere mich gut an
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