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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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nicht. Fluchen kommt nicht in Frage.«
    Dann hatten sie einen Preis ausgemacht.
    »Madame«, hatte er darauf wieder gesagt, ihr das Bild überreicht und sie durch seine staubige kleine Brille wehmütig betrachtet, »Madame, dürfte ich bitten, diesen Bischof der Altneupresbyteraner der vorletzten Christen aufzuhängen. Am besten neben den Staatspräsidenten. Ich kann nicht mehr in einem Räume essen, wo er nicht hängt, und eben deshalb habe ich das Lokal der Heilsarmee verlassen, wo ich vorher aß. Ich verehre meinen Bischof. Er ist ein Vorbild, ein durchaus nüchterner, christlicher Mensch.«
    So hing Georgette den Bischof der vorletzten Christen eben auf, zwar nur über die Türe, wo er stumm und zufrieden hing, ein Ehrenmann, nur manchmal von Auguste verleugnet, der jenen wenigen, die sich erkundigten, kurz und bündig antwortete:
    »Ein Radsportfreund.«
    Drei Wochen später kam Archilochos mit einem zweiten Bild. Eine Photographie. Eigenhändige Unterschrift. Sie stellte Petit-Paysan dar, den Besitzer der Maschinenfabrik Petit-Paysan. Es würde ihn freuen, sagte Archilochos, wenn ebenfalls Petit-Paysan hängen würde. Vielleicht an Stelle Fahrck-sens. Es zeigte sich, daß im sittlichen Weltgebäude der Besitzer der Maschinenfabrik den dritten Platz einnahm.
    Frau Georgette war dagegen.
    »Petit-Paysan fabriziert Maschinengewehre«, sagte sie.
    »Na und?«
    »Tanks.«
    »Na und?«
    »Atomkanonen.«

    11

    »Sie vergessen den Petit-Paysan-Rasierapparat und die Petit-Paysan-Geburtszange, Madame Bieler, lauter menschenfreund-liche Gegenstände.«
    »Monsieur Archilochos«, sagte Georgette feierlich, »ich warne Sie, sich weiter mit Petit-Paysan zu befassen.«
    »Ich bin bei ihm angestellt«, antwortete Arnolph.
    Georgette lachte. »Dann nützt es gar nichts«, sagte sie,
    »wenn Sie Milch und Mineralwasser trinken, kein Fleisch essen (Archilochos war Vegetarier) und mit keiner Frau schlafen. Petit-Paysan beliefert die Armee, und wenn die Armee beliefert ist, gibt es Krieg. Das ist immer so.«
    Archilochos war damit nicht einverstanden.
    »Nicht bei uns«, rief er aus. »Bei unserem Staatspräsidenten!«
    »Ach der!«
    Sie kenne eben das Erholungsheim für werdende Arbeiter-mütter nicht, fuhr Archilochos unbeirrt fort, und die Heimstätte für invalide Arbeiterväter, die Petit-Paysan errichtet habe.
    Petit-Paysan sei überhaupt ein sittlicher, ja geradezu ein christlicher Mensch.
    Doch war Madame Bieler nicht zu bewegen, und so kam es, daß außer den zwei ersten Vorbildern des Herrn Archilochos (bleich, schüchtern und etwas dicklich saß er in seiner Ecke zwischen den Radsportfreunden) nur noch der letzte in seiner Weltordnung an der Wand hing, das negative Prinzip, Fahrcks eben, der Kommunist, der den Staatsstreich in San Salvador und die Revolution in Borneo angezettelt hatte. Denn auch mit Nummer Vier vermochte Arnolph bei Georgette nichts zu erreichen.
    Sie könnte das Bild vielleicht unter Fahrcks hängen, meinte er und überreichte Madame Bieler eine Reproduktion, eine billige übrigens.
    Wer denn dies gemalt habe, fragte Georgette und starrte verwundert auf die dreieckigen Vierecke und die verbogenen 12

    Kreise, die darauf zu sehen waren.
    »Passap.«
    Es stellte sich heraus, daß Monsieur Arnolph den weltberühmten Maler verehrte, doch war es Georgette immer noch ein Rätsel, was denn das Bild darstellen sollte.
    »Das richtige Leben«, behauptete Archilochos.
    »Da unten steht aber ›Chaos‹«, rief Georgette und wies in die rechte untere Ecke des Bildes.
    Archilochos schüttelte den Kopf. »Große Künstler schaffen unbewußt«, meinte er. »Ich weiß einfach, daß dieses Bild das richtige Leben darstellt.«
    Doch nützte es nichts, was Archilochos dermaßen kränkte, daß er drei Tage nicht mehr erschien. Dann kam er wieder, und Madame Bieler lernte mit der Zeit das Leben des Monsieur Arnolph kennen, soweit man überhaupt von einem Leben reden konnte, so pünktlich, wohlgeordnet und schief war alles. So gab es beispielsweise in der Weltordnung des Archilochos noch die Nummern fünf bis acht.
    Nummer fünf war Bob Forster-Monroe, der Ambassador der Vereinigten Staaten, zwar nicht ein Altneupresbyteraner der vorletzten Christen, sondern ein Altpresbyteraner der vorletzten Christen, ein schmerzlicher, doch nicht hoffnungsloser Unterschied, über den der in religiösen Dingen gar nicht untolerante Archilochos stundenlang reden konnte. (Er lehnte außer den anderen Kirchen nur noch die Neupresbyteraner
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