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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger
Autoren: Nina Behrmann
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werden wurde immer stärker. Mittlerweile wache ich sogar nachts auf, weil ich denke, jemand stünde neben meinem Bett.«
    »Aber wenn Sie das Licht anschalten, ist da niemand?«, riet Kay.
    Agnes nickte.
    »Was macht Sie dann so sicher, dass es ein Vampir ist?«
    Sie senkte den Blick. Ihre Hände ließen die Tasche los und schoben den Rollkragen ihres Pullovers tiefer. Auf der linken Seite ihres Halses waren zwei winzige rote Punkte zu sehen.
    »Vampire beißen tiefer«, sagte Kay unbeeindruckt, nachdem er sich die beiden Wundmale angesehen hatte.
    Agnes braune Augen wurden abermals groß. »Sie glauben mir also?«
    »Schwester Marie hätte Sie nicht hierher geschickt, wenn sie nicht auch glauben würde, dass es sich hierbei um etwas Ernstes handelt. Ganz gewöhnlich ist Ihr Fall aber nicht.«
    Das Vampiropfer sah Kay fragend an. Der lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. »Vampire töten ihre Opfer heutzutage nicht mehr. Das erregt zu viel Aufmerksamkeit. Allerdings hat sich diese Unsitte, Frauen nachts in ihrem eigenen Bett aufzulauern, auch verflüchtigt. Der gemeine Blutsauger sucht sich seine Opfer auf andere Weise. Und wie ich bereits sagte, beißen Vampire wesentlich tiefer. Ritzt man die Haut an, erhält man nicht einmal einen Tropfen Blut. Vampire trinken, um zu überleben; zuweilen auch wegen des Geschmacks. Aber dafür muss mindestens ein Mundvoll Blut her. Dieser Tropfen, der durch Ihre Wunde verursacht wurde, dürfte nicht einmal zum Benetzen der Lippen gereicht haben.«
    Agnes schob ihren Kragen wieder zurecht. »Und was denken Sie dann?«
    »Da Sie auf Ehrlichkeit bestehen: Ich weiß es nicht. Der Verdacht, dass es sich hierbei um einen Vampir handelt, liegt natürlich nahe. Aber es gibt auch andere Nachtwesen, die Blut brauchen. Nicht alle sind mythischen Ursprungs. Vielleicht hat sich auch einfach eine Vampirfledermaus aus dem Zoo in ihr Schlafzimmer verirrt.«
    »Jetzt lachen Sie doch über mich!«
    Kay schüttelte den Kopf. »Ich versuche, alle Möglichkeiten zu beachten. Aber wenn Sie möchten, können wir das für Sie übernehmen.«
    Agnes lächelte zaghaft. »Wirklich?«
    Kay musste nun doch lächeln. Mit dem Zopf und dem Lächeln wirkten diese großen Augen sehr kindlich. Der Anblick erinnerte ihn an etwas, aber er konnte nicht genau sagen, an was.
    »Was würde mich das kosten?«, fragte Agnes.
    Kay nahm eine Akte aus einer Schublade und blätterte sie durch. »In ihrem Fall wäre ich für eine Blutspende dankbar. Ein Liter, zahlbar erst nach Erledigung des Auftrags und natürlich in Raten. Wir wollen ja nicht gieriger als die Blutbank sein. Außerdem 3000 Euro, wovon 1000 Euro angezahlt werden müssen.«
    »Blut?«
    »Haben Sie damit ein Problem?«
    »Nein, ich denke nicht.«
    »Sag ihr, sie soll auch Weihwasser besorgen!«, brüllte Feng aus dem Nebenraum. Agnes zuckte zusammen und ließ fast ihre Tasche fallen.
    »Gut, dann also noch fünfhundert Milliliter Weihwasser«, fügte Kay hinzu.
    Agnes verzog das Gesicht. »Aber wie soll ich das denn besorgen? Ich kann es doch nicht einfach aus dem Becken stehlen?«
    Kay tätschelte sie auf die Schulter. »Sie sind Christin – egal was, Ihnen wird ohnehin vergeben werden.«
    Agnes stand auf. Sie sah aus, als wollte sie etwas sagen, überlegte es sich jedoch anders und ging wort- und grußlos an ihm vorbei und hinaus.
    Kay legte den Kopf in den Nacken und sah an die Decke. Menschen.
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

Kapitel 3

    Um acht Uhr stand ich wieder im Triskelion Büro, diesmal pünktlich. Zu meiner Überraschung war die Glastür weit geöffnet; nur von Kay war weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen stand sein Partner vor mir. Sein Anblick irritierte mich noch immer. Die Touristen, denen ich ab und zu in die Arme lief, und die aus Asien kamen, waren nicht einmal halb so muskulös und attraktiv wie er.
    Feng telefonierte und ich setzte mich derweil wieder vor den Schreibtisch.
    »Diese ›großer böser Bodybuilder‹ Nummer wird mir langsam zu viel«, knurrte Feng in das Handy, das in seinen Händen wie ein Spielzeug aussah. »Wenn du das nächste Mal etwas zum Einschüchtern brauchst, kauf dir einen Hund.« Sein Gesprächspartner schien wohl länger etwas zu erklären, denn Feng schwieg und nickte abwesend. »Okay«, sagte er schließlich, legte auf und steckte das flache Mobiltelefon in die Hosentasche.
    Ich wusste nicht recht, ob ich aufstehen oder sitzen bleiben sollte, aber Feng wies mich mit
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