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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger
Autoren: Nina Behrmann
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und bemerkte, wie mein Arm sich selbstständig machte. Er hob sich und streckte sich der langen, pferdeähnlichen Schnauze entgegen. Feng schnaubte amüsiert und ich zuckte zusammen, hielt den Arm aber ausgestreckt. Für einen unbeteiligten Zuschauer hätte es wie ein verunglückter Gruß wirken können.
    Feng schien meine Verunsicherung bemerkt zu haben, denn er senkte leicht den Kopf, bis meine Handfläche auf seinen Nüstern ruhte. Ich hörte mein Herz überlaut in meiner Brust klopfen. Sie waren weich. Der Atem, der daraus hervorquoll, erschien mir heißer als von jedem anderen Wesen.
    »Wirst du mir jetzt zuhören?«, wiederholte der Drache seine Frage mit grollender Stimme und ich nickte zaghaft. Meine Knie wurden weich und ich ließ mich wieder in den Stuhl sinken.
    »Kannst du vielleicht wieder, ich meine…«
    Er grinste und offenbarte eine beeindruckende Reihe von Zähnen, ehe das zweite Beben einsetzte. Diesmal ging es etwas besser, denn ich saß; beim zweiten Mal wusste ich auch, worauf ich achten musste. Mein Blick ruhte auf Feng, während ich mich an meinem Sitz festhielt. Die Konturen des mächtigen Drachen wandten sich, wurden weicher und lösten sich von ihrer Form. Sie veränderten sich weiter und besaßen mehr und mehr Ähnlichkeit mit züngelnden Flammen, die den großen Körper einhüllten. Er schmolz, wandelte sich selbst zu Feuer. Es wurde hell im Büro und ich musste die Augen zusammenkneifen. Die Flammen wurden dichter, bildeten Muster, verhakten sich ineinander, bis sie eine menschliche Gestalt formten. Urplötzlich erlosch das Licht. Vor mir stand wieder der Mann, mit dem ich hergefahren war, sogar wieder vollständig angezogen. Er setzte sich ebenfalls.
    »Da unten tummeln sich die verschiedensten Wesen, von Grenzgängern bis hin zu Fey«, setzte er ein zweites Mal an. Mit dem Unterschied, dass ich diesmal tatsächlich zuhörte. »Du erinnerst dich an Kay. Er ist ein Fey, ein Feenwesen aus der alten Welt, wie sie es nennen.«
    »Feenwesen? So kleine Figürchen, mit Glitzerflügeln und Zauberstab?«
    Feng schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Kay würde dir den Kopf abreißen, wenn du so etwas jemals in seiner Gegenwart erwähnst. Feenwesen sind Kreaturen, die aus Magie geboren wurden. Wie und woher, weiß keiner. Sie haben ihre eigenen Reiche, halten sich aber oft zum Vergnügen in der menschlichen Welt auf.«
    »Bist du auch so etwas?«, fragte ich, während ich mich noch bemühte, das Bild von Kay mit einem funkelnden Tütü zu verdrängen. In Stresssituationen benutzte mein Hirn die seltsamsten Dinge um sich abzulenken.
    »Ein Fey? Nein, ich bin ein Grenzgänger.«
    »Ich dachte, ihr habt Krieg gegeneinander geführt?«
    »Das stimmt auch.« Feng fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die kurzen schwarzen Haare. »Grenzgänger sind Wesen, die an keine bestimmte Welt gebunden sind. Fey können nur ihre eigene und vielleicht noch ein zwei andere Welten betreten. Grenzgänger können überall hin gehen. Nicht nur in die physischen Reiche.«
    »Und was heißt das?«
    »Das heißt, dass die Fey uns lange Zeit gefürchtet und auch gehasst haben. Weil wir in Bereiche vordringen können, die ihnen verwehrt bleiben. Grenzgänger mochten Fey nicht, weil sie sie für arrogant und machthungrig hielten. Diese Vorurteile wurden zu festen Ansichten und gipfelten schließlich in einem Krieg, der mehrere Jahrhunderte währte.«
    Ich runzelte die Stirn und sah aus dem Fenster. Draußen wirkte alles wieder wie ein normaler Freitagabend mit einer Horde Partyhungriger.
    »Und jetzt ist das vorbei?«
    »Nicht ganz. Es wurde vor fünfzig Jahren zwar ein Friedensvertrag unterzeichnet, aber alter Hass ist schwer auszuräumen. Es gibt noch immer Wesen auf beiden Seiten, die sich nicht anpassen wollen. Dafür sind wir da.«
    »Du und Kay?«
    »Ja. Wir vermitteln in heiklen Fällen zwischen den beiden Seiten oder auch zwischen ganz anderen Parteien und Wesen.«
    Ich senkte den Blick auf meine Stiefelspitzen und rieb mir über den Nacken. Das war sehr viel Information auf einmal. Paranormale Friedenstruppen. Das klang wie aus einem Film. »Sind alle Grenzgänger Drachen?«
    Feng lachte leise. »Nein. Es gibt ebenso viele Arten von Grenzgängern, wie es Fey gibt. Vampire, Drachen, Werwölfe. Wesen, die mindestens zwei Leben teilen.«
    »Und wie komme ich ins Spiel? Ich halte mich weder für einen Vampir noch eine Fee.« Ich wedelte mit der Hand, als würde ich einen imaginären Zauberstab schwenken.
    »Du hast etwas
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